Die Presse, vierte Gewalt?

Alexander van der Bellen, der österreichische Bundespräsident, hat in einer seiner sehr besonnenen Presserklärungen der vergangenen Tage davon gesprochen, die Presse sei die vierte Macht im Staat.

Als hätten sie darauf gewartet, brach unter meinen österreichischen, meist verstörend konservativen fb Freunden, ein Sturm der Entrüstung los.

Das sei ein Angriff auf die Gewaltenteilung. Wir erinnern uns, damit ist seit Rousseau die Aufteilung des Staates in drei voneinander unabhängigen Gewalten gemeint, der Legislative, der Exekutive und der Judikative.

Der Presse fehle die demokratische Legitimation, wurde argumentiert.

Nun ist es ja so, dass lupenrein demokratisch legitimiert ist nur die gesetzgebende Gewalt, das Parlament. In der Regierung, der ausübenden Gewalt, kann man durchaus sitzen, ohne ein Mandat im Parlament zu haben, und Richter, die Sachwalter der Judikative, sind überhaupt erst in ihren aller obersten Rängen gewählt, nicht vom Volk, aber immerhin von den vom Volk gewählten Abgeordneten.

Die Vorstellung, die Menschen, die die Pressefreiheit ausüben, die Journalisten nämlich, benötigten eine demokratische Legitimation, ist geradezu absurd. Sie müssten dann ja wohl von Gewählten gewählt werden, oder gar direkt per Volkswahl bestimmt werden.

So seltsam es klingt, aber die Forderung, die Presse benötige eine demokratische Legitimation, ist das Ende der Pressefreiheit und der Beginn des Staatsjournalismus.

Funk und Fernsehen, soweit sie öffentlich-rechtlich aufgestellt sind, werden schon jetzt von Rundfunkräten kontrolliert. Diese setzen sich aus Vertretern des Parlaments plus Vertretern relevanter Gruppen, wie Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände, Kirchen etc. zusammen. Das hat bisher trotz mancher Verwerfungen in der Regel gut geklappt.

Die privatrechtlich organisierte Presse, also in erster Linie Zeitungen und die privaten TV Sender, haben keine gesellschaftlich aufgestellten Kontrollorgane.

Sie sind den Regeln ihrer jeweiligen Landesverfassungen verpflichtet, und auch das hat bisher in der Regel gut funktioniert

Warum hat van der Bellen nun von der vierten Kraft im Staate gesprochen?

Weil es so ist. Die Presse, gestützt durch das hohe Gut der Meinungsfreiheit, ist in einer Demokratie stets ein Kontrollorgan der drei etablierten Staatsgewalten.

Wollen wir die Gewaltenteilung nicht idealisieren. Die Legislative, die Exekutive und die Judikative, sie sind alle verbunden durch ein oft schwer zu durchschauendes Geflecht aus persönlichen Abhängigkeiten und Kompetenzkonflikten. Stichwort Kickl.

Die freie Presse bringt ebenso frischen Wind ins Haus, wie der EuGH, der von den Europagegnern so geschmähte oberste europäische Gerichtshof in Luxembourg.

Beide verhindern, dass die Akteure der Legislative, der Exekutive und der Judikative ihr Süppchen untereinander nicht nur kochen, sondern auch essen.

Deshalb mögen Populisten weder die freie Presse noch den EuGH, egal ob sie linksrum oder rechtsrum gestrickt sind.

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