Natürlich können Franken schimpfen wie alle anderen auch, aber ich empfinde das fränkische Gezeter immer erheblich freundlicher, weniger blasphemisch und erheblich versöhnlicher als das, was in Altbayern abgeht.
Flüche und Beschimpfungen, in denen das Wort „Sakrament“ vorkommt, habe ich überhaupt erst kennengelernt, als ich mit zehn Jahren Oberbayern ins Internat kam.
Das hat später noch eine Steigerung erfahren, als ich in Spanien Flüche lernte, die Spirituelles mit primären oder sekundären geschlechtlichen Merkmalen oder Neigungen koppelten.
Das geht in Franken alles weniger aggressiv zu, ja fast schon resignierend. Wenn einer „irrt“, den Straßenverkehr behindert oder wenn vom Nachbarbalkon zu laute Musik herüberschallt, dann beschimpft der Franke nicht etwa den Urheber dieser Ungemach, sondern kommentiert lediglich vor sich selbst oder seiner Umgebung dies:
„Leud gäbs zern derschlogn!“ Da dies in die Tat umgesetzt ganz offenbar wenig gemeinschaftsfördernd wäre, schiebt der Raunzer schnell noch nach. „Wemmer ner Zaid hädd!“
Es ist nicht wirklich böse gemeint, der Humor koaliert hier mit der Verzweiflung, weil man ja sowieso nichts dagegen unternehmen zu kann.
Als die bizzelböse Austragsbäuerin, der aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Schwiegertochter einmal so richtig die Meinung sagen wollte, keifte sie: „Nix hasda miedgabrachd, blos Läus und Flöh!“ Aber kann man das so stehen lassen? Muss man dem nicht durch Überhöhung ins Absurde die Schärfe nehmen? Deshalb murmelte sie, als der Widerhall der Beschimpfung verebbt war. „Und die warn grang!“
Auch das Wort „Sauzahn“ wird nicht nur dazu verwendet, einen Schuft, Betrüger oder Tunichtgut zu charakterisieren. In dem Begriff steckt eine gute Portion Bewunderung, weil der Sauzahn das tut, was man sich selbst nicht zu tun getraut: Er rebelliert gegen die gegebene Ordnung. Wie früher den Räuber in seiner Höhle umweht den „Dens Porcae“, so seine korrekte Einordnung in die biologische Systematik, ein Hauch von Romantik und Steppenwolf.
Ein weites Feld ist der „Fregger“ eine mundartliche Ableitung des Verreckers, eine unschöne Bezeichnung, in hochdeutschem Munde. In Franken allerdings gibt es diese Spezies im Diminutiv, und ein Freggerla ist meistens ein niedliches, rosiges Neugeborenes.
Sogar ein „elender Fregger“ hat nicht die Bedeutung, die es hätte, würde man so einen Mitmenschen in Hannover bezeichnen. Hier nähert sich der Miser mori miserabilis (s.o.) dem Dens Porcae. Auch einem elenden Fregger haftet etwas an, das ihn sympathisch wirken lässt, so dass man ihm eigentlich alles verzeiht. Ein seltenes etymologisches Beispiel dafür, dass eine pejorative Steigerung sich in ihr Gegenteil verkehren kann.
Anders verhält es sich, wenn dem Übeltäter „Fregger, elender“ nachgerufen wird. Da ist es doch ratsam, sich den Augen des Zürnenden zumindest bis zur Brotzeit am Abend zu entziehen.
Wenn der Schimpfende allerdings ungewollt das trifft, von dem der Beschimpfte im Tiefsten seines Inneren weiß oder wähnt, dass es wahr ist, dann wird es brenzlich.
Mein Bruder hat einmal die Beamten einer Polizeistreife „ungalernda Schbitzbuhm“ genannt. Sie fühlten sich ertappt, zeigten ihn wegen Beamtenbeleidigung an und er kam mit einem Strafbefehl davon.