Hochzeit, hohe Zeit, manchmal sogar höchste Zeit.

Als sich neulich ein verzweifelter Bräutigam der Einmischungen seiner Mutter mit dem Argument zu erwehren versuchte, dies sei immerhin seine Hochzeit, konterte Frau Mamá so: „Du irrst, das ist die Hochzeit meines Sohnes!“

Dieser Satz macht klar, wie hoch politisch und gleichermaßen sensibel der Tag der Verbindung zweier junger Menschen ist. Wenn man in den sozialen Medien Fotos von Hochzeiten studiert, wird deutlich, dass dieses Ereignis oft dazu verwendet wird, die Bedeutung, die Vornehmheit und das „savoir être“ der beteiligten Familien darzustellen. Wenn es nicht der familieneigene Palazzo ist, wird einer gemietet, zum Polterabend Smoking, zur Hochzeit mit nachfolgendem Empfang Cut und zur Braut Soirée Frack.

Dass auf den Erinnerungsfotos gelächelt wird, ist eigentlich verwunderlich, denn Hochzeiten pflegen weit um sich greifende Verärgerungen vorauszugehen.

Wer denkt, zur Hochzeit könne man einladen, irrt. Zur Hochzeit muss eingeladen werden. Seltsamerweise spielen da unverheiratete oder verwitwete, eher entfernt verwandte Tanten eine ungeahnte Rolle. Sie müssen eingeladen werden, weil der Schleier der Braut, das Diadem oder was auch immer aus ihrer Familie stammt, weil ihr weiland Bruder Patenonkel des Vaters des Bräutigams war, oder weil man sie beerben will. Der Möglichkeiten sind da keine Grenzen gesetzt.

Mit der Einladung dieser Damen ist es allerdings noch nicht getan, sie müssen beim Diner am Abend der Hochzeit auch noch von einem wichtigen männlichen Teil der Familien geführt werden, womit klar ist, dass für die etwas jüngeren Damen nur noch die zweite Wahl an Tischherren übrigbleibt. Weitere Fâchés sind vorprogrammiert.

An sich kann man ja schon froh sein, wenn die beiden „Gegenfamilien“ nach gehabtem Polterabend nicht beleidigt zur Kirche schreiten. Denn bei den Aufführungen werden die Brautleute gnadenlos durch den Kakao gezogen, was so mancher Frau Mamá durchaus nicht in den Kram passen muss. Lauterwerdendes Tuscheln der Brautmutter mit dem in der Kirche neben ihr sitzenden Vater des Bräutigams ist oft Ausdruck dieser Verstimmung, während zu Wagners Hochzeitsmarsch der Brautvater mit Tränen der Rührung in den Augen seine Tochter dem am Altar wartenden Jüngling zuführt, dem er am Abend zuvor in weinseliger Stimmung zugerufen hatte: „Du darfst mich jetzt Pappi nennen!“

In Franken nimmt man mit gewissem Recht an, die Bratwurst zum Empfang nach der Kirche heile alle Wunden. Allerdings nur dann, wenn die Braut von hier stammt, und die Familie des Bräutigams, die von auswärts kommt, gute Miene zum fleischigen Spiel macht. Vorhandene Verstimmungen können umgekehrt durchaus verstärkt werden, wenn in Schleswig Holstein, der Heimat der Braut, an sich ein Sektempfang mit Häppchen geplant war, der Bräutigam aber seine Freunde bat, aus Franken mitgebrachte „Brodwöschd“ auf den ebenfalls mitgebrachten Grill zu legen. Nicht nur weht dann ein nicht autochthoner Duft durch den alten Lindenbestand des von einem Linnéschüler angelegten Parks, die Meute ruft dann auch noch – horribile est dictu – nach Bier, weil Sekt zur Bratwurst nicht schmeckt.

Bis zum Ball am Abend (white tie) sind so manche Verärgerungen verflogen, es sei denn man muss die unerträgliche Tante Berta zu Tisch führen. Danach beginnt die Gesellschaft zu tanzen. Der weise Brautvater hat natürlich dafür gesorgt dass für die bereits erwähnten alten Damen an strategischem Ort bequeme Sitzgelegenheiten bereitgehalten werden, denn nun verwandeln sich die ungeliebten aber unvermeidbaren Ladies in das, was sie am besten können: Sie bilden den Drachenfels. Alle nehmen für sich in Anspruch, über einen untrüglichen Züchterblick zu verfügen. „Ex catedra“ wird somit entschieden, ob es für die Braut bereits höchste Zeit war.

„Und die Helene hat sich ja wieder so unvorteilhaft angezogen, kein Wunder, dass sie keinen Mann findet, das arme Kind.“ Nebenbei, das arme Kind ist in den Vierzigern und lehrt politische Wissenschaften an der Uni in Heidelberg, wo man sich erzählt, um ihr Liebesleben müsse man sich keine Sorgen machen.

Und das Brautpaar? Naja, das verschwindet irgendwann einmal in Richtung Flitterwochen, was niemand so richtig bemerkt, denn eigentlich sind sie bei dieser Manifestation der Eitelkeiten lediglich Mittel zum Zweck.

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