Heute Morgen ging ich um 7 Uhr aus dem Haus, um möglichst ohne Wartezeit beim jobcenter am Goslarer Ufer dranzukommen.
Tatsächlich saß ich schon kurz nach 8 Uhr der Sachbearbeiterin gegenüber, die Leistungsgewährung für mein syrisches Mündel bearbeiten sollte. Sie prüfte zunächst ihre Zuständigkeit, die sie zu meiner Erleichterung bejahte. Dann aber brach es auch ihr heraus: Den Ausländern werde das Geld sonst wohin gesteckt, aber wenn sie in zwei Jahren pensioniert werde, bekäme sie eine winzige Rente, und das nach 48 Berufsjahren! „Darauf ha ick kein’n Bock“, seien es die kleine Rente, Akten, unverschämte Ausländer, Vorgesetzte, Leistungsberechtigte, die spät aufstehen oder „det Wetta“, sie hatte null Bock uff jarnüscht.
Mein ausschließliches Interesse war ja, endlich abschließen zu können, dass mein nun 15jähriges Mündel von jetzt an die Sozialleistungen vom jobcenter bekommt, statt wie bisher vom Sozialamt. Ich widersprach also nicht und wartete geduldig darauf, dass sie mir die Antragsformulare aushändigen würde, die ich allerdings anfangs des Monats schon im jobcenter in Steglitz ausgefüllt hatte. Nun legte sie die Stirn in Falten und sagte, ich müsse noch zum jobcenter in Steglitz fahren, denn dort habe man die Akte zu bearbeiten begonnen, und nun müsste ich ein Dokument beibringen, dass „de Kollejn“ ab sofort von diesem Tun abließen.
„Kann man das nicht per e-mail intern erledigen? „Nee, wo denken Se hin? Wenn da durch Balin ooch noch Akten hin- und herfliejen, stelln Se sich mal det Chaos vor“. Ich konnte.
Nun gut, ich fuhr also nach Steglitz, wo spätaufstehende Leistungsberechtigte unterdessen Schlange standen. Nach 40 Minuten war ich schon dran und sollte eigentlich eine Nummer bekommen. Die Dame am Empfang bezweifelte, dass das Goslarer Ufer zuständig sei und verschwand, um das mit ihrer Vorgesetzten zu besprechen. Die sah das offenbar auch so. Ich bekam tatsächlich eine Nummer und nach weiterer Warterei kam ich zu einem Sachbearbeiter, der ebenfalls dafür war, Steglitz sei zuständig. Da alle Anträge ausgefüllt seien, benötige er nun lediglich eine Folgezuweisung vom Wohnungsamt in Lankwitz. Es ginge um die KÜ. Ich hatte unterdessen gelernt, dass man darunter die Kostenübernahme verstand.
In Lankwitz freute sich der Beamte, mich wiederzusehen. „Sie sind der Herr von und zu mit dem spanischen Pass.“ Bei unserem ersten Treffen vor zwei Monaten hatte er mir ohne Weiteres eine KÜ ausgestellt. Damals war es heiß und er hatte kurze Hosen an. Heute war es kühl und er hatte wieder kurze Hosen an, wenn auch andere. Plötzlich verdüsterte sich seine Miene. Ich ahnte Schreckliches. Und tatsächlich, er begann seine Zuständigkeit zu prüfen.
„Nee Steglitz is nich zuständich, det sind die Kollejen am Goslarer Ufer. Ick wees det, det is bei mir frischet Wissn, meine Ausbildung war im verjangenen Jahr. Vorher war ick Koch.“
Er entließ mich ohne KÜ aber mit dem Rat, mich nur ja nicht aufzuregen und immer schön höflich zu bleiben.
Ich überlegte, wo ich ganz schnell eine Kalaschnikow herbekommen könnte, fuhr dann aber doch unbewaffnet zum jobcenter nach Steglitz zurück. Dort stürmte ich unter Missachtung alle Nummerholvorschriften das Zimmer des Sachbearbeiters und sagte:
„Ich weiche nicht, du ka-üst mich denn!“
Tatsächlich hatte der Mann ein Einsehen, allerdings erst, nachdem er mit seinem Vorgesetzten gesprochen hatte. Innerhalb von weiteren 5 Minuten hatte ich nun meine KÜ.
Er tröstete mich noch damit, dass die Beamtin, die das Zuständigkeitskarussell vorgestern in Schwung gesetzt hatte, wohl ein Ego-Problem habe.
Dieser Schwung hat mich insgesamt 13 Stunden Zeit und Ärger gekostet.