Schnaps für alles

In Franken spielt der Schnaps eine wenig besprochene aber um so wichtigere Rolle. Wie jeder gute Alkoholiker erwähnt auch der Franke das Getränk, das er zu sich nimmt, nur im Diminutiv, a Schnäpsla halt. Dass das durchaus auch einmal mehrere werden können, ist geduldet und manchmal auch gewollt.

Heute gibt es wieder unzählige kleine Brennereien, deren Betreiber in geschickter Weise die Brennrechte derer aufkauften, die im Zuge der allgemeinen Rationalisierung der Landwirtschaft, Vieh, Obst und solche Frucht abschafften, die man nur im Matsch des Herbstwetters ernten konnte, ich denke da an Kartoffeln und Zuckerrüben.

In Rentweinsdorf wurde neben etwas Kornschnaps in erster Linie Zwetschgenwasser, gebrannt. Der Schads Jürch war es, der diese Aufgabe übernahm. Zunächst standen riesige Bottiche mit „gagnödschdn“ Zwetschgen auf dem Gutshof in der Sonne. Wenn die Masse Blasen schlug, schmeckte der Jürch ab und nun wurde aus dem übel riechenden Gemaisch Schnaps gebrannt. Das war ein langwieriges Geschäft. Der Jürch saß wochenlang in der kleinen Brennerei und schaute zu, wie ein Rinnsal unten aus der Destille herauskam. Gelagert wurde das Produkt in Kanistern, von denen es bei Bedarf in alte Limoflaschen mit Bügelverschluß abgefüllt wurde. Für eigene Flaschen reichte es offenbar nicht.

Die Schorns Marie, die meiner Mutter im Haushalt half, war bekannt dafür, dass sie gern mal zwischendurch „a Schnäpsla“ genoss. Als Bub habe ich mir den Scherz erlaubt, eine Limoflasche mit einem Etikett zu versehen, auf das ich „Schnaps“ geschrieben hatte. Dann füllte ich die Flasche bis zu Hälfte mit Wasser und stellte sie auf den Eisschrank.

Es dauerte nur wenige Tage, bis „die Schorna“ mir auf den Kopf zusagte, ich sei der Übeltäter gewesen, eine solche Sauerei könne nur einem wir mir einfallen. So könne man mit alten Leuten nicht umgehen, das sei einfach unanständig. Ihr Zorn prasselte auf mich nieder, denn sie fühlte sich ertappt. Doch stärker war ihre Empörung von der festen Überzeugung genährt, dass man mit Schnaps einfach keinen Spaß macht.

Das Rentweinsdorfer Zwetschgenwasser war nicht transportfähig. Zu Hause schmeckte es ganz vorzüglich, begleitete auf klirrend kalten Jagden, bei der wir Buben die Treiber machten, mit ihm wurde, als dies Mode wurde, auf Deibel komm raus flambiert, und der Schnaps war auch durchaus als Ersatzwährung zu gebrauchen. Aber, wie gesagt, das funktionierte nur in Franken.

Ich war noch nicht lange verheiratet, da versuchte ich bei meiner Schweizer Neufamilie mit Rentweinsdorfer Zwetschgenwasser zu punkten. Die Limoflasche erweckte schon einen Anfangsargwohn, der nach kurzer Verkostung als zutreffend bezeichnet wurde. Gegen einem Pflümli Schnaps aus dem Jura kam halt „dem Schads Jürch sei Wasser“ nicht an. Ich habe nie wieder versucht, mit deutschen Lebensmitteln in der Schweiz anzugeben.

Für unsere Mutter war Schnaps in erster Linie Medizin. Als sie meinem Bruder Prügel angedroht hatte, der Vater aber nicht da war, um die Strafe auszuführen, habe ich gesehen, wie sie „zwa Schnäpsla“ kippte, ehe sie den Delinquenten übers Knie legte.

Hartnäckige Halsbeschwerden bei ihren Kindern wurden behoben indem wir mit Schnaps gurgeln mussten, und als unsere Kinder mit der obligaten Zahnspange ihre Großeltern besuchten, wurden die mitgelieferten Kukident Pastillen zur Seite gelegt und die Spangen zum Reinigen in ein Glas mit Zwetschgenwasser gelegt.

„Geht her, Kinder, die Spangen sind jetzt wieder sauber“, rief die Großmutter nach einiger Zeit und zack, ging des Trum direkt aus dem Glas in den Kindermund.

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