Zuständigkeitsfeststellung, nochmal.

Heute Morgen ging ich um 7 Uhr aus dem Haus, um möglichst ohne Wartezeit beim jobcenter am Goslarer Ufer dranzukommen.

Tatsächlich saß ich schon kurz nach 8 Uhr der Sachbearbeiterin gegenüber, die Leistungsgewährung für mein syrisches Mündel bearbeiten sollte. Sie prüfte zunächst ihre Zuständigkeit, die sie zu meiner Erleichterung bejahte. Dann aber brach es auch ihr heraus: Den Ausländern werde das Geld sonst wohin gesteckt, aber wenn sie in zwei Jahren pensioniert werde, bekäme sie eine winzige Rente, und das nach 48 Berufsjahren! „Darauf ha ick kein’n Bock“, seien es die kleine Rente, Akten, unverschämte Ausländer, Vorgesetzte, Leistungsberechtigte, die spät aufstehen oder „det Wetta“, sie hatte null Bock uff jarnüscht.

Mein ausschließliches Interesse war ja, endlich abschließen zu können, dass mein nun 15jähriges Mündel von jetzt an die Sozialleistungen vom jobcenter bekommt, statt wie bisher vom Sozialamt. Ich widersprach also nicht und wartete geduldig darauf, dass sie mir die Antragsformulare aushändigen würde, die ich allerdings anfangs des Monats schon im jobcenter in Steglitz ausgefüllt hatte. Nun legte sie die Stirn in Falten und sagte, ich müsse noch zum jobcenter in Steglitz fahren, denn dort habe man die Akte zu bearbeiten begonnen, und nun müsste ich ein Dokument beibringen, dass „de Kollejn“ ab sofort von diesem Tun abließen.

„Kann man das nicht per e-mail intern erledigen? „Nee, wo denken Se hin? Wenn da durch Balin ooch noch Akten hin- und herfliejen, stelln Se sich mal det Chaos vor“. Ich konnte.

Nun gut, ich fuhr also nach Steglitz, wo spätaufstehende Leistungsberechtigte unterdessen Schlange standen. Nach 40 Minuten war ich schon dran und sollte eigentlich eine Nummer bekommen. Die Dame am Empfang bezweifelte, dass das Goslarer Ufer zuständig sei und verschwand, um das mit ihrer Vorgesetzten zu besprechen. Die sah das offenbar auch so. Ich bekam tatsächlich eine Nummer und nach weiterer Warterei kam ich zu einem Sachbearbeiter, der ebenfalls dafür war, Steglitz sei zuständig. Da alle Anträge ausgefüllt seien, benötige er nun lediglich eine Folgezuweisung vom Wohnungsamt in Lankwitz. Es ginge um die KÜ. Ich hatte unterdessen gelernt, dass man darunter die Kostenübernahme verstand.

In Lankwitz freute sich der Beamte, mich wiederzusehen. „Sie sind der Herr von und zu mit dem spanischen Pass.“ Bei unserem ersten Treffen vor zwei Monaten hatte er mir ohne Weiteres eine KÜ ausgestellt. Damals war es heiß und er hatte kurze Hosen an. Heute war es kühl und er hatte wieder kurze Hosen an, wenn auch andere. Plötzlich verdüsterte sich seine Miene. Ich ahnte Schreckliches. Und tatsächlich, er begann seine Zuständigkeit zu prüfen.

„Nee Steglitz is nich zuständich, det sind die Kollejen am Goslarer Ufer. Ick wees det, det is bei mir frischet Wissn, meine Ausbildung war im verjangenen Jahr. Vorher war ick Koch.“

Er entließ mich ohne KÜ aber mit dem Rat, mich nur ja nicht aufzuregen und immer schön höflich zu bleiben.

Ich überlegte, wo ich ganz schnell eine Kalaschnikow herbekommen könnte, fuhr dann aber doch unbewaffnet zum jobcenter nach Steglitz zurück. Dort stürmte ich unter Missachtung alle Nummerholvorschriften das Zimmer des Sachbearbeiters und sagte:

„Ich weiche nicht, du ka-üst mich denn!“

Tatsächlich hatte der Mann ein Einsehen, allerdings erst, nachdem er mit seinem Vorgesetzten gesprochen hatte. Innerhalb von weiteren 5 Minuten hatte ich nun meine KÜ.

Er tröstete mich noch damit, dass die Beamtin, die das Zuständigkeitskarussell vorgestern in Schwung gesetzt hatte, wohl ein Ego-Problem habe.

Dieser Schwung hat mich insgesamt 13 Stunden Zeit und Ärger gekostet.

 

 

 

Umdenken! Nichts wird wieder, wie es war.

Umdenken! Nichts wird wieder, wie es war.

Wie leben in schwierigen Zeiten. Meine in den 50er Jahren geborenen Altersgenossen sehen mit Entsetzen, wie Vieles von dem, was wir aufgebaut haben, angegriffen wird, zerbröselt, lächerlich gemacht wird, und stattdessen Kräfte aus den Löchern kommen, von denen wir seit Langem gehofft hatten, sie seien endgültig verschwunden.

Ich spreche von Freiheit, auch von der Freiheit vor Angst. Ich denke daran, dass es in Europa Politiker gibt, die ganz offen von der Beschneidung verfassungsmäßiger Rechte sprechen, die ungestraft von einer illiberalen Demokratie schwadronieren können.

Ich glaube nicht, dass es gelingen wird, die Grundrechte selbst abzuschaffen, aber man wird sie enger auslegen.

Neulich habe ich mich zu diesem Thema mit einem jungen Mann unterhalten, der mich überrumpelt und erschreckt hat. Er meinte: „Vielleicht ist es ja die Schuld eurer Generation, dass es dazu gekommen ist.“

Wahrscheinlich hat er Recht, denn wir haben uns auf dem Erreichten ausgeruht, nachdem wir 1968 und danach Einiges verändern konnten. Wir waren mit den Zuständen zufrieden und haben nicht gesehen oder haben nicht sehen wollen, dass Andere in der Gesellschaft mit eben diesen Zuständen nicht zufrieden sind und dies auch nicht sein können.

Es wird also zu tiefgreifenden Veränderungen kommen, das ist unausweichlich und an sich auch gut so. Stillstand ist noch keiner Gesellschaft gut bekommen.

Wir müssen nur nicht glauben, dass es gelingen wird, nach den Veränderungen, die mir und vielen anderen nicht gefallen werden, wieder zum status quo ante zurückkehren zu können.

Ein klärendes Beispiel: Nach dem Desaster der Weimarer Republik und dem Horror der Nazijahre haben nicht einmal die Konservativsten nach dem Kaiser gerufen.

Restauration bringt es nicht.

Ich sehe deutlich, dass die aktuelle Entwicklung ins Verderben führt. Man stelle sich nur ein Erstarken der AfD vor, woraufhin einige Jahre eine kunterbunte Koalition regiert, nur um die AfD zu verhindern. Und dann kommen die rechten Populisten eben irgendwann doch an die Macht. Mir wird schlecht, bei dem Gedanken und ich schäme mich schon jetzt, so wie sich derzeit einige Österreicher, US-Amerikaner, Italiener, Polen und Ungarn schämen.

Ich kann nur hoffen, dass das „Danach“ nicht allzu lange auf sich warten lässt. Nur, danach wird nichts mehr so sein, wie bislang.

Unsere Aufgabe ist es daher, schon jetzt darüber nachzudenken, wie unsere Gesellschaft verfasst sein soll, wenn der befürchtete Spuk vorbei ist.

Als Denkanstöße nenne ich mal: Begrenzung der politischer Ämter auf zwei Legislaturperioden, Verdoppelung der Ausgaben für Erziehung und Bildung, Verstärkung des Jugendaustausches, Förderung der beruflichen Selbständigkeit, bezahlbare Wohnungen, tatsächliche Anstrengungen in Sachen Klimaschutz.

„Wenn alles bleiben soll, wie es ist, muss sich alles ändern“ heißt es in di Lampedusas „Der Gattopardo“.

Ich denke nicht, dass das klappen wird. Es wird alles ganz anders werden.

Zuständigkeitsfeststellung

Im Juni 2018 bekam ich einen Brief vom Sozialamt Charlottenburg-Wilmersdorf, in dem mir mitgeteilt wurde, einer meiner syrischen Mündel sei nun 15 geworden und somit sei für die Leistungen ab sofort das jobcenter (alias Arbeitsamt) zuständig. Ich möge mich kümmern und Vollzug melden.

Also ging ich zum jobcenter am Goslarer Ufer, wo man mir sagte, man sei nicht zuständig, nach der Geburtsdatumsregelung sei das jobcenter in Steglitz zuständig.

Dort stellte ich mich etwa eine dreiviertel Stunde an, um dann fast nicht weiterzukommen, weil ich zwar die Meldebestätigung meines Mündels dabeihatte, nicht aber meine eigene. „Dat Se inner Berliner Straße wohn tun, steht in Ihrm spanschn Personalausweis. Wat wees ick, wat die Spaniokln da rinschreim?“ Schließlich bekam ich eine Nummer und wartete noch eine halbe Stunde. Dann durfte ich bei einer sehr netten Dame vorsprechen, die zunächst erneut ihre Zuständigkeit prüfte und mir dann einen Haufen Antragsformulare übergab. Mit denen solle ich samt dem Mündel am 9.8. wiederkommen.

An besagtem Tag hielt sich die Warterei in Grenzen, ein anderer Sachbearbeiter prüfte allerdings erneut seine Zuständigkeit und stellte dann fest, dass die Dame, die mir obigen Brief geschrieben hätte, eine Bescheinigung hätte ausstellen müssen, aus der hervorgeht, dass sie nicht mehr zuständig ist.

Ich rief die Dame an, sie versprach alles zu erledigen, und es geschah nichts. Nach einem erneuten Telefonat, kam der sogenannte Einstellungsscheid, den ich flugs ans jobcenter in Steglitz weiterreichte. Der Beamte meinte, was er nun noch brauche, sei eine Zuweisung des Wohnungsamtes Charlottenburg-Wilmersdorf, damit er, bzw das jobcenter, die Wohnkosten übernehmen könne.

Dieses Papier wollte ich heute besorgen. In etwa 600 Metern vom Rathaus Charlottenburg fand ich einen Parkplatz. An der Tür von Zimmer 104 hing ein Zettel. Darauf stand, dass heute die Sprechstunde in der Königin Elisabeth Straße 49 stattfände. Dort bekam ich in 400 Meter Entfernung einen Parkplatz. In Zimmer 2073 war ich erstaunlicherweise sofort dran, fand mich aber erneut vor der Hirsebreimauer der Zuständigkeitsfeststellung wieder. „Dat der Kolleje in Stegliz jeprüft hat, schützt und ja nich vor Fehlern.“

Nach einigen Minuten der Zuständigkeitsfeststellungsarbeit hellte sich das Gesicht der Sacharbeiterin auf: „Steglitz is nich zuständich.“

Sie kramte einen Zettel hervor und erklärte „Det is n internet Rundschreibn vom Januar 2016, det liest keena. Drinne steht aba, dat wenn Vawandte zusammlebn, det Jeburtsdatum vom Familjenoberhaupt zuständichkeitsbejründend is.“

Sie gab mir einen Schrieb mit und schickte mich wieder zum jobcenter am Goslarer Ufer, wo ich einen Parkplatz in 700 Metern Entfernung fand. Nach 40 Minuten Schlange stehen kam ich dran, übergab das Schreiben worauf die Dame zunächst ihre Zuständigkeit prüfte. Nachdem sie damit nicht zurande kam, rief sie Martin an. Martin war nicht da. „Ick liebe et, wenn die Kollejn nich am Platze sin.“ Nun rief sie Stefan an und erklärte die Sache mit dem Geburtsdatum des Familienoberhauptes, in dem Fall der Tante meiner beiden Mündel.

Na jut, Stefan, aber die Tante is ja nu der Familjenoberhaupt (sic) und danach sin wa zuständich, wa?“ Offenbar bestätigte Stefan diese Vermutung und nachdem ich bereits sechs Stunden heute Morgen in dieser Sache verbraten hatte, bestellte man mich für Donnerstag um 8 Uhr ein, „weil, wir sin ja nu zuständich, aba die Anträje müssn se neu ausfülln.“ „Könnten Sie mir die Formulare gleich mitgeben?“ Nee, det is streng vabotn.“

„Aber in Steglitz hat man mir die Antragsformulare ausgehändigt.“ Wat die Kollejn in Steglitz machen tun, jeht mir nüschte an, hier isset vabotn.“

¡LA VIRGEN DE LOS COJONES!

 

 

Umdenken! Der Konsument ist König.

Auf dem Markt wird weniger roter Thunfisch verlangt, seither ist der Fang dieser Fische zurückgegangen. Zwar sind sie immer noch vom Aussterben bedroht, aber es gibt wieder mehr rote Thunfische als zuvor. Ein wahrer Erfolg.

Der Konsum von Plastiktüten ist ebenfalls zurückgegangen, wir haben uns wieder daran gewohnt, mit der Einkaufstüte einkaufen zu gehen, so wie unsere Mütter dies mit dem Einkaufskorb taten.

Unser Verhalten hat direkte Auswirkungen auf diejenigen, die uns etwas verkaufen möchten, die uns von etwas überzeugen möchten oder die auf sich aufmerksam machen möchten.

Auf seiner Irlandreise hat sich Papst Franziskus entschuldigt. Er tat dies angesichts der tausendfachen Entwürdigungen und Missbräuche, die Priester und Nonnen an schutzbefohlenen Minderjährigen begangen haben. Allgemein wurde die bloße Entschuldigung als unzureichend empfunden, weil es der Papst vermied, die Kirche selbst für die Unsäglichkeiten verantwortlich zu machen.

Hätte er aber besser, denn erst dann wäre eine Veränderung möglich gewesen. Erst wenn klar ist, dass der Missbrauch von Körpern, der Missbrauch von Macht, der Missbrauch von anvertrauten Geldern allen Kirchen, den Hierarchien aller Religionen, systemimmanent ist, hätte man beginnen können, daran zu arbeiten, etwas dagegen zu tun, dass die Säkularisierung in riesigen Schritten an Terrain gewinnt.

Die Kirchen verwalten Gott, verwalten den Glauben und sagen ihren „followern“ wo es lang geht. Wer aber Gott verwaltet, fühlt sich ihm automatisch näher, zumal die Masse es nicht wagt, die Kirche zu kritisieren. Das wäre ja fast eine Kritik an Gott selbst.

Man muss Geistliche, seien es Priester, Imame, Rabbis oder Gurus, nur anschauen: Alle umgeben sich mit einer Aura der Erhabenheit, der Unantastbarkeit und der Besserwisserei.

Wir wissen doch alle, dass sich die allermeisten Geistlichen noch immer so vorkommen, als stünden sie über dem Gesetz, als würden ihre Fehler, die Missachtung, mit der sie Frauen behandeln, und ihre Sauereien niemals auffliegen.

Solange das so ist, bleibt es bei der Flucht der Gläubigen.

Das ist keine Flucht vor Gott. Das ist eine Flucht vor Gottes unwürdigen Dienern, das ist eine Flucht vor denen, die Gott verwalten.

Wir sollten alle aus der Kirche austreten. Es ist unbestritten, dass mit dem Geld, das die Kirchen von ihren Gläubigen erhalten, auch viel Gutes getan wird, Stichwort Diakonie. Aber erst wenn den Kirchen das Wasser abgegraben wird, wenn die Geldquellen nicht mehr sprudeln, erst dann werden die Kirchen bereit – da gezwungen – sein, zuzugeben, dass der Missbrauch zur Kirche gehört, wie die Soß zum Kloß.

Es heißt immer, man brauche die Kirchen, um Häresien, falsche Auslegungen der Bibel zu verhindern.

Geschenkt! Wenn man die haarsträubenden, menschenverachtenden, blutrünstigen Fehldeutungen der wahren Lehren der Religionen dieser Welt anschaut, dann ist es „peanuts“ was der Einzelne in seinem Kämmerlein missversteht.

Seit den napoleonischen Kriegen sind erstmals in der Geschichte der Menschheit mehr Menschen in Säkularkriegen umgekommen, als in Religionskriegen. Das muss man sich mal klarmachen, um zu verstehen, wie fragwürdig es ist, einer Religionsgemeinschaft anzugehören.

Verhalten wir uns wie denkende Konsumenten: Erst wenn die Nachfrage nach „Kirche“ nachlässt, wird sich etwas ändern.

Niemandem kommt es in den Sinn, sein Abendgebet damit zu beschließen, Gott möge für das Wohl „seiner Kirche“ Sorge zu tragen. Es sind die Priester, die dies (sonn)täglich tun. Sie haben allen Grund dazu: Sie beten für den Erhalt eines Systems, das sie stützt und schützt.

Umdenken! Was tun gegen Überbevölkerung?

Angesichts der Gewissheit, dass im Jahr 2050 die Weltbevölkerung auf fast 10 Milliarden Menschen angewachsen sein wird – derzeit haben wir etwa 7,6 Milliarden –  kann man schon ins Grübeln kommen.

Und so grübeln auch Einige und haben schon wunderbare Vorschläge zur Eindämmung der Überbevölkerung verbreitet.

Das geht von staatlichen Hilfen für die Einkindehe über Zwangssterilisationen bis dazu, den Kampf gegen die Kleinkindsterblichkeit einzustellen. Das sind, versteht sich von selbst, alles Maßnahmen, die für Afrika, Asien und Südamerika ergrübelt worden sind.

Denn die weißen, westlich geprägten Menschen, das wissen wir ja längst, sind nun mal nicht so fortpflanzungsbesessen wie die, die auf der südlichen Hemisphäre leben.

Wenn man sich die Vorschläge genauer anschaut, dann fällt auf, dass es Handlungsbedarf offenbar in erster Linie dort gibt , wo die Überbevölkerung entsteht. Wenn man sich die Vorschläge noch ein wenig näher anschaut, dann sind sie alle mit dem Axiom der Menschenwürde unvereinbar.

Gelten denn die Grundrechte nur dort, wo sie in den jeweiligen Verfassungen stehen? Nein, dort sind sie nur im besten Falle einklagbar, aber an sich wird jeder Mensch mit dem ihm angeborenen Recht auf Wahrung seiner Würde geboren.

Die griechischen Philosophen unterschieden zwischen dem von Menschen gesetzten Recht, dem positiven Recht, und dem überpositiven Recht. Darunter verstanden sie all das, was dem Menschen als vernunftbegabtem Wesen bei der Geburt mitgegeben wird, unabhängig von Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Geburtsort oder Religion.

Wir sprechen von den Menschenrechten. Wenn wir diese für uns reklamieren, müssen wir akzeptieren, dass diese Rechte für alle gelten, auch dann, wenn viele Individuen sie nicht genießen oder einklagen können.

Die oben erwähnten Lösungen kann jeder sofort verstehen, packt das Übel an der Wurzel! Dass sie allem Hohn sprechen, was jedem von uns wichtig ist, scheint Nebensache zu sein. Man schert sich nicht um das geltende Recht, Hauptsach am Biertisch kann der Wähler „jawoll“ grölen.

Natürlich können wir etwas gegen die Überbevölkerung tun. Wichtigstes Ziel: Alle müssen in Arbeit und Brot kommen.

Derzeit verhindert die EU das. Einerseits können zu Weltmarktpreisen gehandelte Lebensmittel hier nicht verkauft werden. Die Bauern, deren Produkte subventioniert werden, würden Sturm laufen. Andererseits exportieren wir in diese Länder Molkereiprodukte oder die Teile von hier geschlachteten Hühnern, die zu essen wir zu kompliziert finden, ich denke da an Hühnerflügel.

Damit machen wir, ja wir, denn wir sind die EU Bürger, die Milchwirtschaft und die Geflügelzucht in weiten Teilen Afrikas und Asiens kaputt. Zu allem Überfluss subventioniert die EU solche Exporte auch noch, um ihren Absatz zu garantieren.

Es ist einfach widerlich, immer wieder hören zu müssen, man habe die Armut vor Ort zu bekämpfen, wenn zur gleichen Zeit unsere Wirtschaftspolitik die Möglichkeit, Arbeitsplätze zu schaffen, kaputtmacht!

Wenn wir in puncto Menschenrechte keine Pharisäer bleiben wollen, dann müssen wir abgeben.

Das Perverse ist, dass die populistischen Parteien und Bewegungen gerade die sind, die davor warnen, dass die Armutswelle über uns schwappen wird. Es sind aber eben auch genau sie, die gleichzeitig „Germany first“ schreien und nichts dagegen tun wollen, den armen Ländern eine Chance zu bieten, etwa zu lernen, dass der Wohlstand der Familie nicht durch Kinderreichtum sondern durch Arbeit und Einkommen gesichert wird.

Das können die Bewohner der armen und gleichzeitig überbevölkerten Länder aber nur dann lernen, wenn wir deren Arbeitsmöglichkeiten nicht systematisch torpedieren.

Umdenken! Wir brauchen diese Menschen.

Niemand baut Wohnungen für Singles, wenn die Demoskopen nicht vorhersagen würden, dass die kinderreiche Familie der Vergangenheit angehört. In Deutschland werden derzeit in erheblichem Masse Wohnungen für Menschen gebaut, die auf absehbare Zeit oder gar für immer alleine leben möchten.

Kurz, der schon jetzt nicht rückgängig zu machende Bevölkerungsrückgang wird sich nicht abschwächen.

Die Folge wird ein drastischer Rückgang der Steuereinnahmen sein. Weniger Menschen zahlen eben nun mal weniger Steuern als viele Menschen. Das ist Adam Riese, erstes Semester.

Unser Land ist derzeit eingerichtet darauf, dass dort praeter propter 80 Millionen Menschen leben. Wenn es nur noch 70 Millionen sein werden, dann kann man Krankenhäuser schließen, auch einige Schulen werden überflüssig. Nicht aber wird die bestehende Infrastruktur überflüssig werden. Die Rechnung, 10 % weniger Bevölkerung brauche auch 10% weniger Infrastruktur geht nicht auf. Man stelle sich nur vor, 10% der Autobahnbrücken würden gesperrt…

Dies wird aber passieren, wenn der Staat über weniger Steuereinnahmen bei gleichbleibender Infrastruktur verfügt. Da kann man die Steuern erhöhen, was zu einer voraussichtlichen Flucht derer führen wird, die sowieso schon viel zahlen.

Außer in Europa beobachten wir derzeit einen besorgniserregenden Anstieg der Weltbevölkerung. Da können wir Mauern und Zäune errichten, wie wir wollen, unter zu hohem Druck platzt jeder Ballon.

Das bedeutet, dass die europäischen Staaten gut beraten wären, wenn sie sich als Einwanderungsländer verstehen würden. Wenn man allerdings beobachtet hat, wie lange das Einwanderungsland Deutschland dazu gebraucht hat, sich wenigstens als Einwanderungsländle zu verstehen, dann kann einem angst und bange werden.

Nur mit einem klaren Einwanderungsgesetz wird es gelingen, die künftigen Migrantenström einigermaßen zu kanalisieren

Ja, so geht das nicht, schreien da Einige, Deutschland und Europa werden ihre Identität verlieren, eine Islamisierung wird Platz greifen, wir werden nicht mehr Herr im eigenen Hause sein.

Ich frage mich, wie viel Spaß es macht, Herr im eigenen Haus zu sein, dessen Infrastruktur und damit auch dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zerbröselt, und ich frage mich auch, was die heutige Identität Deutschlands mit der von vor 200 Jahren, geschweige denn mit der von vor 80 Jahren zu tun hat? Und die Islamisierung? Wer was glaubt, muss in einer Demokratie egal sein. Nicht egal ist lediglich, dass sie oder er sich dabei an die jeweilige Verfassung hält. Daran müssen wir arbeiten.

Es ist der richtige Weg, der in der Schweiz begangen wird: Dort wurde einem arabischen Paar die Einbürgerung verweigert, weil sich beide weigerten, jemandem des anderen Geschlechts die Hand zu geben. Wer den Gleichberechtigungsgrundsatz nicht respektiert, der ist in einer Demokratie fehl am Platz.

Dessen ungeachtet werden wir umdenken müssen, wir werden in Zukunft dankbar sein, wenn Menschen aus Asien oder Afrika zu uns kommen, um den Schwund an unserer eigenen Bevölkerung wett zu machen. So wie wir den damaligen Gastarbeitern dankbar sein mussten und müssen, die vor Jahrzehnten kamen um den Arbeitskräftemangel zu lindern.

Unterdessen empfinden wir die gebliebenen Gastarbeiter als Bereicherung, kulinarisch, kulturell und wirtschaftlich.

Die ständige Hetze, die Angstmache vor der Überfremdung, vor dem Verlust der Identität, der Gefahr für die Demokratie geht mir nachgerade auf die Nerven.

Der Verdacht drängt sich auf, dass die wahre Gefahr für die Demokratie von den Hetzern ausgeht.

 

Wie groß ist Gottes Regierungsbezirk?

Mein Freund Dr. Heiner Süselbeck, er ist Pastor, hat mir einen Aufsatz geschickt, den er in der Zeitschrift „Evangelische Aspekte“ veröffentlicht hat. Titel: „…denn du hast es getan. Die Wirklichkeit des Bösen und die Frage nach Gott“.

An einer Stelle zitiert er Luther, der gesagt hat: „Nichts geschieht, was Gott nicht zulässt.“

Das ist unter Christen jedweder Konfession wohl unzweifelhaft konsensfähig. Wir können nicht an einen allmächtigen Gott glauben, wenn wir in ihm nicht einen „Allstrippenzieher“ sehen würden.

Es stellt sich allerdings sofort die Frage nach der geographischen Ausdehnung von Gottes Allmacht. Nichts geschieht, was er nicht zulässt, gilt das nur in Gottes Regierungsbezirk, das heißt, dort, wo man an ihn glaubt?

Oder gilt das auch anderswo? Um es platt aber verständlich auszudrücken: Gehört es zu seinem Zulassen, wenn der berühmte Sack Reis in China umfällt?

Wir Christen tendieren dazu, anzunehmen, dass der allmächtige und alleinige Gott natürlich weltweit zuständig ist, schließlich hat er die Welt geschaffen.

Da werden uns allerdings die Buddhisten, die Hindus, die Moslems und die Atheisten was husten, denn für die ist ihr Gott, beziehungsweise ihr Nicht-Gott zuständig.

Nicht nur Christen tendieren dazu, anzunehmen, ihr allmächtiger und alleiniger Gott sei weltweit zuständig.

Das lässt nun mehrere Schlüsse zu:

  • Jeder denkt, mein Gott ist der Einzige und alle anderen hängen einem Gott an, den es gar nicht gibt.
  • Es gibt mehrere Götter, die sich die Welt in ihre jeweiligen Regierungsbezirke aufgeteilt haben.
  • Es gibt nur einen einzigen Gott, der lediglich verschieden genannt und angebetet wird.
  • Es gibt überhaupt keinen Gott, was geschieht, passiert aus der Natur oder, was uns Menschen angeht, aus der „conditio humana“ heraus.

Wer hat Recht? Offenbar ist das eine Glaubensfrage und je nach Beantwortung derselben, verhalten sich Religionen anderen gegenüber eher aggressiv oder eher friedliebend.

Es scheint so, als ob diese Aggressivität oder Friedlichkeit Moden unterworfen ist. Christen waren früher extrem blutrünstig, gleichzeitig die Moslems eher philosophisch friedlich. Derzeit ist es umgekehrt.

Der Einfluss von Moden auf die Religionen relativiert selbstredend deren unverrückbaren Wahrheitsgehalt. Das führt zu der Überlegung, die Ausgestaltung der Religionen sei „Tand, Tand, ist das Gebilde aus Menschenhand.“

Darüber aber schwebt Gott, der einmal so, ein andermal Allah, woanders Buddha und am anderen Ende der Welt noch mal anders genannt wird.

Wenn wir uns darauf einigen könnten, wären viele der Probleme, die die Menschheit drücken, leichter zu lösen.

Abschiebehindernis schwul

Neulich habe ich auf facebook eine leidenschaftliche Debatte ausgelöst, weil ich die Meinung vertrat, das BAMF habe sehr wohl das Recht, ja die Pflicht, nachzuprüfen, ob der Glaubensübertritt zum Christentum aus tiefer Überzeugung geschah oder nur deshalb, um ein Abschiebehindernis herzustellen.

Die Wellen gingen hoch, und das zu Recht, denn es ist schon eine diffizile Sache, echten Glaubenseifer von falschem zu unterscheiden, zumal wenn man Beamter eines laizistisch verfassten Staates ist.

Ich habe immer betont, dass in einem Rechtsstaat die Verfassung für alle gilt, der Glaube aber nur für, die, die ihm anhängen, verkürzt: Erst das Grundgesetz, dann die Bibel.

Ich habe bemerkt, dass dies für gläubige Menschen schwer zu verstehen ist: Für Muslime ist es selbstverständlich, dass der Glaube zuerst kommt und dann das Recht, für Christen ist es problematisch anzuerkennen, dass das Recht dann den Glauben prüfen muss, wenn der Verdacht besteht, er werde missbraucht, um damit ein Recht zu erlangen.

Nun höre ich, dass die österreichischen Behörden Flüchtlinge auch dann abschieben, wenn sie angeben, homosexuell zu sein.

Wir alle wissen, dass der homosexuelle Flüchtling bis zu seiner Flucht seine sexuelle Ausrichtung verheimlicht hat, um lebensbedrohenden Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen. Offenbar denken die österreichischen Behörden, es sei dem abgeschobenen Flüchtling zuzumuten, diese Verheimlichungsstrategien wieder aufzunehmen, sobald er wieder daheim ist.

Was aber, wenn in den Abschiebepapieren steht „Der Asylbewerber gibt an, schwul zu sein. Das wird ihm aber behördlicherseits nicht geglaubt.“ Die Fanatiker in seinem Heimatland glauben ihm das sicher.

Natürlich ist es ein Abschiebehindernis, wenn jemand aus tiefer Überzeugung zum Christen geworden ist und ihm dies zu Hause als Abkehr vom wahren Glauben ausgelegt wird, was u.U. mit dem Tod bestraft wird.

Ebenso ist es ein Abschiebehindernis, wenn jemand schwul ist und dies in seinem Heimatland mit Qualen, Strafen oder dem Tod bedroht ist.

Nur, wie beweist man die eigene Homosexualität?

Als ich Vorträge über Verfassungsrecht für Flüchtlinge hielt, kam ein Mann auf mich zu und sagte, er könne nicht verstehen, weshalb sein Asylantrag abgelehnt worden sei, er sei Chemiker und Deutschland brauche ihn. Es war schwierig, ihm klar zu machen, dass das Asylrecht nicht auf dem Grundsatz der Brauchbarkeit im aufnehmenden Land basiert. Er müsse angeben, in seinem Heimatland verfolgt zu werden, es bestehe dort Gefahr für Leib in Leben etc. Das alles treffe auf ihn nicht zu, er suche in Deutschland lediglich ein besseres Leben. Was könne er denn sonst noch angeben, wir sprachen englisch:

„Tell them to be homosexual,” schlug ich vor. Zunächst erhellte sich seine Miene, und dann fragte er besorgt: “But how can I proof that?“

Ich war zunächst sprachlos. Dann brach es mir heraus: „Rape the judge!“

Was damals von mir unüberlegt und ungebührlich vorgeschlagen wurde, scheint jetzt die Maxime der österreichischen Ausländerbehörde geworden zu sein:

„Treibt’s vor aller Augen, dann haben wir den Beweis fürs schwul sein, aber in‘n Hefn kommts eh: Erregung öffentlichen Ärgernisses.“

Dabei wäre alles doch so einfach:

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“.

Das muss der demokratische Imperativ allen staatlichen Handelns sein. Dann kommt man auch nicht auf so absurde Gedanken.

Stehe betend hinter Dir!

Als 1803 mit dem Reichdeputationshauptschluss der Winzigstaaterei in Deutschland ein Ende gesetzt wurde, verloren auch die fränkischen Barone ihre Selbständigkeit ans Königreich Bayern.

Mit gewissem Recht misstraute man den neuen Landesherrn, denn nachdem ganze Museen, Kircheneinrichtungen und Bibliotheken nach München gekarrt worden waren, wusste man nicht, was als Nächstes dran sein würde. Man versuchte nun den Besitz der Familien zu retten oder besser gesagt, zu sichern. Man schuf Fideikommisse oder Kondominate. Miteigentümer am „Zeuch“ waren alle männlichen Namensträger.

Töchter wurden von frühester Kindheit darauf gebimmst, dass sie auf ihren Pflichtteil würden verzichten müssen. Zum Ausgleich bekamen sie Gemälde, Möbel und Teppiche als Mitgift in die Ehe. Das ist der Grund, weshalb man in den wenigsten der fränkischen Schlösser wertvolle Möbel oder andere erwähnenswerte Einrichtungsgegenstände findet.

Als ich in Lausanne meine erste Vorlesung in Gesellschaftsrecht hatte, begann der Professor mit diesem Worten: „Communio est mater rixarum“, die Gemeinschaft ist die Mutter des Streites.

Und so war es auch, die Familienmitglieder aller fränkischen adeligen Familien stritten sich andauernd und heftig. Der Familienmaioratsherr, der „das Zeuch“ verwaltete, wollte stets reinvestieren, die Mitherren, die als Oberste, Ministerialbeamte oder Nichtstuer in Berlin, Frankfurt oder München saßen, wollten lediglich am Ende des Wirtschaftsjahres Geld sehen und sahen nicht ums Verrecken ein, dass das Schloss, das ihnen allen zusammen gehörte, ab und zu „rausgaweisld“ werden musste.

Es war ein ständiger Kampf und der Verwalter, der Majoratsherr war um seinen Posten nun wirklich nicht zu beneiden.

Nachdem aus dem Betrieb immer nur entnommen wurde, immer alle nur über ihre Verhältnisse gelebt hatten, wurde in den 30er Jahren mein Großvater aus Rentweinsdorf an die Spitze der Betriebe der Familie gestellt. Der war in erster Linie Offizier und hatte nach dem ersten Weltkrieg Forstwirtschaft studiert. Seine Expertise in Landwirtschaft, Weinbau, Brauerei und Sägewerk war im Zweifel eher begrenzt. Darüber sah er mit einer beneidenswerten Nonchalance hinweg, denn das Einzige, was er wirklich tat, was sparen. Er zwang die Familienmitglieder, ihren Lebenstandard den Realitäten anzupassen, worauf die Betroffenen unfroh reagierten. Noch heute werden schaurige Geschichten, die im Zweifel womöglich sogar wahr sind, über seinen „Regierungsstil“ erzählt. Er hat den Familienbesitz gerettet, aber die Familien zu Tode gespart, ohne dass da wirklich jemand verhungert wäre.

Natürlich nagte der ständige Streit und der nicht enden wollende Ärger an seinen Nerven. Befragt, was er sich denn zu Weihnachten wünsche, sagte er ohne eine Sekunde der Überlegung: „Einen Weihnachtsbaum und an jedem Ast ein Mitherr.“

Einer seiner Brüder war Pfarrer in Berlin und konnte zu einer sehr wichtigen Familienratssitzung nicht persönlich erscheinen. Statt zu kommen telegrafierte er: „Sehe betend hinter Dir!“

Wütend warf der Empfänger das Telegramm auf den Schreibtisch und rief weithin hörbar: „Kämpfend neben mir, das ist dein Platz“.

Glücklicherweise wurden im Zuge der Bodenreform fast alle Fideikommisse aufgelöst. Seither ist ein unerwarteter, nie gekannter Friede in die Familien eingekehrt. Man redet wieder miteinander, lädt sich gegenseitig zu Jagden, Taufen, Abendessen und Hochzeiten ein.

Es ist eine Wonne, mitansehen zu können, wie leicht das Leben wird, wenn es von der Last gemeinsamen Eigentums befreit ist.

Schnaps für alles

In Franken spielt der Schnaps eine wenig besprochene aber um so wichtigere Rolle. Wie jeder gute Alkoholiker erwähnt auch der Franke das Getränk, das er zu sich nimmt, nur im Diminutiv, a Schnäpsla halt. Dass das durchaus auch einmal mehrere werden können, ist geduldet und manchmal auch gewollt.

Heute gibt es wieder unzählige kleine Brennereien, deren Betreiber in geschickter Weise die Brennrechte derer aufkauften, die im Zuge der allgemeinen Rationalisierung der Landwirtschaft, Vieh, Obst und solche Frucht abschafften, die man nur im Matsch des Herbstwetters ernten konnte, ich denke da an Kartoffeln und Zuckerrüben.

In Rentweinsdorf wurde neben etwas Kornschnaps in erster Linie Zwetschgenwasser, gebrannt. Der Schads Jürch war es, der diese Aufgabe übernahm. Zunächst standen riesige Bottiche mit „gagnödschdn“ Zwetschgen auf dem Gutshof in der Sonne. Wenn die Masse Blasen schlug, schmeckte der Jürch ab und nun wurde aus dem übel riechenden Gemaisch Schnaps gebrannt. Das war ein langwieriges Geschäft. Der Jürch saß wochenlang in der kleinen Brennerei und schaute zu, wie ein Rinnsal unten aus der Destille herauskam. Gelagert wurde das Produkt in Kanistern, von denen es bei Bedarf in alte Limoflaschen mit Bügelverschluß abgefüllt wurde. Für eigene Flaschen reichte es offenbar nicht.

Die Schorns Marie, die meiner Mutter im Haushalt half, war bekannt dafür, dass sie gern mal zwischendurch „a Schnäpsla“ genoss. Als Bub habe ich mir den Scherz erlaubt, eine Limoflasche mit einem Etikett zu versehen, auf das ich „Schnaps“ geschrieben hatte. Dann füllte ich die Flasche bis zu Hälfte mit Wasser und stellte sie auf den Eisschrank.

Es dauerte nur wenige Tage, bis „die Schorna“ mir auf den Kopf zusagte, ich sei der Übeltäter gewesen, eine solche Sauerei könne nur einem wir mir einfallen. So könne man mit alten Leuten nicht umgehen, das sei einfach unanständig. Ihr Zorn prasselte auf mich nieder, denn sie fühlte sich ertappt. Doch stärker war ihre Empörung von der festen Überzeugung genährt, dass man mit Schnaps einfach keinen Spaß macht.

Das Rentweinsdorfer Zwetschgenwasser war nicht transportfähig. Zu Hause schmeckte es ganz vorzüglich, begleitete auf klirrend kalten Jagden, bei der wir Buben die Treiber machten, mit ihm wurde, als dies Mode wurde, auf Deibel komm raus flambiert, und der Schnaps war auch durchaus als Ersatzwährung zu gebrauchen. Aber, wie gesagt, das funktionierte nur in Franken.

Ich war noch nicht lange verheiratet, da versuchte ich bei meiner Schweizer Neufamilie mit Rentweinsdorfer Zwetschgenwasser zu punkten. Die Limoflasche erweckte schon einen Anfangsargwohn, der nach kurzer Verkostung als zutreffend bezeichnet wurde. Gegen einem Pflümli Schnaps aus dem Jura kam halt „dem Schads Jürch sei Wasser“ nicht an. Ich habe nie wieder versucht, mit deutschen Lebensmitteln in der Schweiz anzugeben.

Für unsere Mutter war Schnaps in erster Linie Medizin. Als sie meinem Bruder Prügel angedroht hatte, der Vater aber nicht da war, um die Strafe auszuführen, habe ich gesehen, wie sie „zwa Schnäpsla“ kippte, ehe sie den Delinquenten übers Knie legte.

Hartnäckige Halsbeschwerden bei ihren Kindern wurden behoben indem wir mit Schnaps gurgeln mussten, und als unsere Kinder mit der obligaten Zahnspange ihre Großeltern besuchten, wurden die mitgelieferten Kukident Pastillen zur Seite gelegt und die Spangen zum Reinigen in ein Glas mit Zwetschgenwasser gelegt.

„Geht her, Kinder, die Spangen sind jetzt wieder sauber“, rief die Großmutter nach einiger Zeit und zack, ging des Trum direkt aus dem Glas in den Kindermund.