Natürlich freue ich mich über jedes Flurkreuz am Wegesrand. Manche erinnern an alte Fehden und mussten nach Kämpfen, die mit Toten endeten, von den Überlebenden errichtet werden. Manche sind „nur“ Ausdruck der Frömmigkeit des Stifters.
Natürlich freue ich mich über Kreuze auf Kirchturmspitzen, wunderschöne Darstellungen des Gekreuzigten in Kirchen und Museen, und natürlich freue ich mich über Gipfelkreuze, allein schon deshalb, weil sie mir anzeigen, dass ich endlich oben angekommen bin, und hoffentlich eine zünftige Wirtschaft in der Nähe ihre gastliche Türe für mich offenhält.
Es ist gar nicht zu bestreiten, dass Kreuze und Kruzifixe zu uns, zu unserer Geschichte, zu unserer Kultur und zu unserer Landschaft gehören. Damit aber endet schon das kollektive „uns“. Denn es gibt ihn nicht mehr, „unseren“ Glauben.
Als die Mehrheit der genannten Kreuzesdarstellungen entstanden, war der Glaube noch etwas, das von der Obrigkeit verordnet wurde, „cuius regio, eius religio“, der Landesherr bestimmte, was das Volk zu glauben hatte.
Das ist glücklicherweise vorbei. Dessen logische und demokratische Folge ist, dass religiöse Überzeugungen Privatsache geworden sind. Der Staat hat nicht mitzureden.
Die Franzosen sind da bis zur Schmerzgrenze konsequent, dort verbietet man in der Weihnachtszeit sogar Krippen in den Rathäusern. In Südamerika gibt es Länder, da darf der Priester mit seiner Soutane nicht auf die Straße, weil in der Öffentlichkeit Manifestationen des eigenen Glaubens nicht nur unerwünscht sind, sondern zum Teil auch verboten.
So weit geht es in Mitteleuropa nicht. Hier können Wallfahrer durchs Land ziehen, sie können laut beten und die Posaunen können ertönen, dass es nur so eine Freude ist.
Nur, eine Wallfahrt ist genehmigungspflichtig wie jede andere Demo auch. Die Religionsausübung in der Öffentlichkeit untersteht dem „ordre public“ ebenso wie Fußball, Marathon oder die Versammlungen am 1. Mai.
So weit so gut und auch so gut eingespielt.
Nun hat der neue bayerische Ministerpräsident angeordnet, dass im Eingangsbereich jeden dem Freistaat gehörenden Gebäudes ein Kreuz hängen muss. Er begründet dies damit, das Kreuz gehöre zur bayerischen Kultur.
Damit erniedrigt er den Glauben der Mehrheit seiner Landsleute zur Folklore. Er setzt Glauben gleich mit Schuhplatteln, Oktoberfest und Gamsbart.
Ich finde das empörend. Als Franke finde ich es sogar zweimal empörend:
Erstes möchte ich meinen Glauben nicht einer allgemeinen Kultur gleichgestellt sehen, zum andern ärgert es mich, wenn immer so getan wird, als ob das „Krachlederne“ auch nördlich der Donau gelte. Es empört, wenn ein evangelischer Franke sich derart dem Münchner Mainstream anbiedert.
Ich will gar nicht davon reden, dass Staat und Kirche getrennt sind. Das sind Selbstverständlichkeiten.
Mich empört es, wie wieder einmal die Religion dazu benützt wird, ein politisches Süppchen zu kochen.
Wie so oft befinde ich mich mit meiner Meinung in der Minderheit. Wenn es allerdings die bayerische Bevölkerung billigend hinnimmt, dass ihr Glaube mit allgemeiner Kultur gleichgesetzt wird, dann könnte man auf den Gedanken kommen, dass dieser Glaube vielleicht doch nur noch Folklore ist.