Die AfD schickt ihre Anhänger ins Land mit dem Auftrag, das Folgende unter die Menschen zu bringen:
„Seit Jahrzehnten werden wir jedes Mal, wenn wir mit dem Flugzeug verreisen, wie die Verbrecher behandelt. Unser Gepäck wird gefilzt, wir werden gefilzt und wenn wir Pech haben, werden wir auch noch begrapscht. Wir werden wie Terroristen behandelt. Aber dann pochen eine Million Flüchtlinge an unsere Grenzen und die Merkel lässt sie ohne jede Kontrolle rein.“
Knapp vorbei ist dennoch voll daneben. Hier wird das ganz deutlich: Eine internationale Maßnahme zur Sicherung des Flugverkehrs wird gleichgesetzt mit einer Notstandessituation. Miteinander zu tun haben beide Dinge gar nichts, aber sie sind scheinbar ähnlich.
Dass im Herbst 2015 unkontrolliert Hunderttausende nach Deutschland eingereist sind, ist ein Fakt. Es ist aber kein Argument.
Es ist ein essenzieller Bestandteil populistischer Politik, komplexe Probleme mit den Sorgen und Ängsten der Bürger gleichzusetzen. So versteht, oder besser „ver-spürt“ jeder Bürger sofort, wo der Hase im Pfeffer liegt, ohne viel nachdenken zu müssen.
Die unkontrollierte Einwanderung von Flüchtlingen, hat nichts mit den Kontrollen am Flughafen zu tun.
Die Gleichsetzung von kontrollierter Ausreise mit unkontrollierter Einreise weckt allerdings schlummernde Ressentiments: Die Ausländer kommen „so“ rein, aber wir Deutsche müssen uns bis aufs Hemd ausziehen. Nachtigall ick hör dir trapsen…
Im Herbst 2015 bestand ein menschlicher und politischer Notstand. Eine sofortige und effiziente Reaktion des Staates war notwendig. Man konnte weder auf dem Bahnhof von Budapest noch an den Grenzübergängen ungezählte Massen von Menschen verrecken lassen. Wenn Menschen ohne Verpflegung und Unterkunft in den eigenen Ausscheidungen leben müssen, wenn es für sie kein Ausweichen nach vorn oder hinten, nach links oder rechts gibt, dann nennt man das eine Katastrophe. Ins Juristische übersetzt, nennt man das einen übergesetzlichen Notstand.
Uns Älteren ist noch erinnerlich, wie Helmut Schmidt als Innensenator von Hamburg bei der Flutwelle ohne Recht und Gesetz, sogar ohne Befehlsgewalt, der Bundeswehr anordnete, Menschenleben zu retten. Er war ein Held, weil er den übergesetzlichen Notstand erkannte und handelte.
Im Herbst 2015 erkannte und handelte die Bundeskanzlerin Merkel nach den gleichen Maximen. Und wenn man eine gescheite Frau ist, wie Anita Lasker Wallfisch, dann nutzt man es, ihr vor aller Welt dafür zu denken, wenn man am Holocaust Gedenktag im Bundestag eingeladen ist, eine Rede zu halten.
Es ist unbestritten, dass nach dem Ansturm der Flüchtlinge die Behörden überfordert waren. Es ist auch unbestritten, dass die Politik auf die Überforderung spät, zankend und zögerlich reagiert hat. Und schließlich ist es auch unbestritten, dass durch den unkontrollierten Grenzübertritt radikale und gewaltbereite Menschen ins Land gekommen sind.
Die Folgen aber mit dem Ursprung gleichzusetzen, das ist die Infamie der AfD. Es ist intellektuell infam, es ist aber auch menschlich infam, weil diese Argumentation spaltet, statt zu einen.
Allerdings punktet die AfD mit der beschriebenen Propagandamasche.
Einfache Lösungen sind ja so charmant! Darauf hereinzufallen, kann einem aber nur dann passieren, wenn man nicht genügend nachdenkt.
Noch etwas zum Schluss: Offenbar kann in Deutschland noch immer damit gepunktet werden, wenn suggeriert wird, Deutsche seien vom Gesetz besser zu behandeln als Ausländer.
Hat die Zeit ohne Diktatur in Deutschland in den Köpfen der dort lebenden Menschen nichts bewirkt?