Üpä, unser Großvater in Rentweinsdorf, lag monatelang im Bett und konnte nicht sterben. Sein Rücken war aufgelegen, eine konkrete Erkrankung war nicht feststellbar, wollte man vom Alter absehen.
Immer wenn er dachte, er werde nun sterben, verlangte er nach dem Abendmahl. Dies wurde allgemein als Katastrophe angesehen, denn danach blühte er regelmäßig auf. Aber wer will einem Sterbenden schon das Abendmahl verweigern?
Nach langem Hin und Her wurde jemand gesucht, der, um die Verlegung ins Krankenhaus zu verhindern, die Pflege zu Hause übernehmen konnte. Man fand Herrn Stengel. Er war ausgebildeter Krankenpfleger und Diakon. Letzteres, so dachte man, werde seine Akzeptanz beim Kranken erhöhen.
Das war eine Fehleinschätzung, denn Üpä fand, Diakon sei kein Beruf für Männer, erst recht nicht für solche die das Gardemaß deutlich unterschritten. Herr Stengel war nur etwa 1,65 m groß.
Es wird berichtet, er habe sich den Namen des Pflegers nicht merken können. Ich bin davon überzeugt, dass er ihn sich nicht merken wollte. Wie dem auch sei, er nannte den kleinwüchsigen Gottesmann nur den Hallelujazwerg.
Immer wenn der Halleluja Zwerg das Zimmer betrat, wusste Üpä, dass er beim Wenden seines Körpers, beim Waschen, bei allem, was der Pfleger tat, Schmerzen haben würde. Er behandelte den bedauernswerten Herrn Stengel schlecht und eines schönen Morgens kündigte er ihm fristlos.
Unsere Mutter fand den Hallelujazwerg, wie er auf seinem Koffer sitzend vor der Kirche auf den Bahnbus wartete. Sie konnte ihn zur Rückkehr überreden.
Dann besuchte sie Üpä an seinem Krankenbett. Da er nahezu taub war, konnte man mit ihm nur per Schreibtäfelchen kommunizieren. Sie schreib:
„Wenn der Hallelujazwerg weggeht, musst Du ins Krankenhaus.“
Üpä holte seine Brille aus dem Etui, putzte sie umständlich, setzte sie ebenso umständlich auf und las. Dann sagte er:
„Ja, schickt den Kerl ins Krankenhaus!“
Mutter wischte den Text aus und schrieb:
„Wenn der Hallelujazwerg geht, musst DU ins Krankenhaus.“
Üpä hatte seine Brille unterdessen wieder verstaut, holte sie nun umständlich wieder aus dem Etui, putzte sie, setzte sie auf und las. Nach einer Weile ließ er das Täfelchen sinken und seufzte:
„Ja, wenn ihr jetzt mit dem Hallelujazwerg schon per du seid…“
Immerhin, Herr Stengel blieb. Wenig später starb Üpä dann doch noch einen gnädigen Tod. Statt einer Kondolenz sagte die Dorett, Üpäs Faktotum, zu meinen Eltern:
„Des hätt fei ned so lang müss dauer. Bei die Bauern wär scho längst a mal a Fenster offn gabliem.
Herr Stengel reiste schon vor der Beerdigung ab.