Als Kinder konnten wir nicht Konditorei sagen, dennoch war es einer der Höhepunkte, wenn wir in die „Kauerei“ eingeladen wurden.
In Bamberg gab es natürlich mehrere wunderbare Cafés, aber das schönste, das tollste, das begehrenswerteste war Riffelmacher. Gibt’s heute noch.
Vorbei an einer Glasvitrine, in der ungeahnte Tortenvariationen in Augenhöhe von uns Kindern dargeboten wurden, ging es nach hinten in das eigentliche, damals noch plüschige Café.
Hinten rechts gab es ein Kabäuschen. Dort hantierten junge Frauen im kleinen Schwarzen mit weißer Schürze und weißem Servierhäubchen in geheimnisvoller Weise umher, um dann plötzlich mit einem Kännchen Kaffee oder Tee aus der Deckung zu kommen.
Leider bekamen wir nie etwas von den atemberaubenden Torten aus der Vitrine, ein Bamberger Hörnla musste genügen. Das aber wurde bei Weitem wettgemacht durch die heiße Schokolade mit Schlagsahne, die wir bestellen durften.
Sie wurde in einer geradezu abstrus barockisierenden hohen Tasse gereicht. Unten kochend heiße Schokolade, darauf kalte Schlagsahne. Die Kunst war es, die Schlagsahne mit der Schokolade gleichzeitig zu trinken, ohne sich dabei die Lippen zu verbrennen. Es durfte dabei sogar geschlürft werden, wenn auch ganz leise.
An den Nachbartischen saßen ältere Damen mit Hut samt Hutnadel. Die schauten zunächst mit Wohlwollen auf uns zumeist zahlreichen Kinder. Wenn wir aber begannen harmlose Spielchen, wie „Pinkepank wo ist der Schrank“ zu spielen, verwandelten wir uns plötzlich in unerzogene Blagen. Das wurde nur gemurmelt, wir hörten es aber dennoch und murmelten zurück, dass im Zimmer der Hut in die Garderobe und nicht auf den Kopf gehöre.
Kurz, Riffelmacher war einfach herrlich!
Meine Schwester erinnert sich besonders an einen Besuch in diesem Tempel der Gastlichkeit, weil irgendwann in den 70er Jahren am Nebentisch Jung-Siegfried saß. Es war Sommer, seine beachtlichen Muskeln kamen durch das Kurzarmhemd richtig zur Geltung, ebenso seine Tätowierungen. Meine Schwester war hin und weg, zumal er auch noch blond war. Seine braunen Augen blitzten unter seiner ausufernden Strohmatte hervor. Es war unsere Mutter, die bemerkte, dass an der Kopfhaut bereits dunkle Haare nachwuchsen.
Mutter, die sich sowieso schon ärgerte, dass Ihre Tochter förmlich dahinschmolz, begann zu summieren: Kurzarmhemd, ostentative Muskeln, Tätowierungen, gefärbte Haare! Eines dieser Attribute hätte ausgereicht, um den jungen Mann ins Reich des Hundsordinariats zu schicken. In der Summe war das einfach zu viel. Unter dem Eindruck dieses Sittenverfalls im Riffelmacher, seufzte Mutter schließlich:
„Jetzt wird’s aber wirklich Zeit, dass die Russen kommen!“