Eine Lanze für die USA

Als mein Vater Kriegsgefangener in Tennessee, war, bekamen alle im Lager politischen Unterricht. Sie sollten Bannerträger der Demokratie werden in einem Land, das Demokratie als Chaos empfunden hatte und dessen Bevölkerung in erschreckend kurzer Zeit alles mitmachte, was die Nazis vorgaben.

Beim Entlassungsappell brüllten die Sergeanten andauernd „are you ready, are you ready“, bis einer der Kriegsgefangenen mit sardonischem Humor zurück brüllte: „We are ready for peace, freedom and democracy“.

Glücklicherweise haben das mit dem Frieden, der Freiheit und der Demokratie doch viele Deutsche sehr ernst genommen, und mit Hilfe der US Besatzer wuchs im Westen Deutschlands bald eine Demokratie heran, die durch einige Skandale geläutert, schließlich auch vom Mann auf der Straße als solche erkannt und geachtet wurde. Ich habe meine Jugend in der US Zone verbracht, ich weiß daher nicht, welchen Beitrag zur Demokratisierung die französischen und britischen Besatzer erbracht haben, denke aber, dass der überschaubar war.

Trotz des Wissens um die Verdienste der USA für den Aufbau eines freiheitlichen Gemeinwesens auf den Trümmern, die ein Verbrechersystem hinterlassen hat, erinnere ich mich nicht daran, je konform gegangen zu sein mit dem, was in den USA geschah.

Wie auch? Atombombe, Vietnam, Rassenunruhen, Aufrüstung, Irak und jetzt der 45. Präsident, all das verband oder verbindet sich mit den USA und hat stets meine Ablehnung, wenn nicht Abscheu hervorgerufen. Ganz besonders gilt das für den Irak Konflikt: Ich dachte zunächst, es sei gut, wenn das Saddam- Regime beseitigt würde, solange, bis wir feststellen mussten, dass der US Außenminister Powell den Sicherheitsrat belogen hatte, um das Okay für die militärische Mission zu bekommen.

Und dennoch: Ich werde den USA und der dort gelebten Kultur stets dankbar sein.

Was wäre mein Leben ohne die Songs von Leonhard Cohen, The Papas and the Mamas, Cat Stevens, Joan Baez und Bob Dylan?

Was wäre aus mir geworden ohne die Bücher von Philipp Roth, John Steinbeck, Charles Bukowski, Mark Twain, Harper Lee, Arthur Miller, Norman Mailer und Thornton Wilder?

An welchen Vorbildern hätte ich mich orientieren können, hätte es nicht John F. Kennedy, Martin Luther King, Satchmo, Madeleine Albright oder Steve McQueen gegeben?

Wie hätte ich es geschafft, mich aus dem fränkisch-familiären Kokon zu befreien ohne Blue Jeans, den Gedanken an Woodstock und die Gleichheit aller Menschen?

Wie hätte sich mein Gespür zum Erzählen entwickelt, ohne die Komödien von Billy Wilder, ohne die Filme von Woody Allen und ohne die Unzahl von Inszenierungen vom Broadway?

Es ist leicht, sich angesichts der derzeitigen Entwicklung über die Amis lustig zu machen. Es gibt allerdings noch das andere Amerika, das unsere Kultur, unsere Ästhetik, unseren Humor und unseren „european way of life“ so stark geprägt hat. Dieses andere Amerika, das sich nicht resigniert zurückzieht.

Und, Eines dürfen wir nicht vergessen, es gibt auch die politische Bildung, die nach dem Krieg und eigentlich bis heute von dort auf uns kommt. Unter anderem hat sie bewirkt, dass fast alle Deutschen, ja fast alle Europäer, es sich nicht mehr vorstellen können, nicht in einem demokratischen Rechtsstaat leben zu wollen.

Seien wir also geduldig. Das wird schon wieder. Die USA sind stark genug, Vollpfosten auszuhalten. Die Geschichte der europäischen Monarchien hat ja bewiesen, dass sowas geht.

 

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