Schon in den 50er Jahren fanden meine Eltern, dass für die Gästezimmer ein Waschtisch mit Schüssel und Kanne nicht mehr ausreiche. Ein Duschbad musste her.
Der Fliesenleger Lechner aus Ebern wurde damit beauftragt, in einem Kabuff, einer ehemaligen Abstellkammer, Boden und Wände zu kacheln, „rausbleddln“ wie man dazu in Franken sagt.
Es war kurz vor der Kirchweih und ich brauchte Geld, deshalb bot ich Meister Lechner meine Hilfe an. Er erklärte mir, bleddln sei eine schwierige Sache, an die man nicht einfach Ungelernte heranlassen dürfe. Aber den Mörtel, die „Speis“, wie er es nannte, die dürfe ich anrühren.
Als ich ihn nach der Entlohnung fragte, schaute er etwas verblüfft, aber mein Hinweis auf die kommende Kirchweih überzeigte ihn dann doch.
Ich bekam nun von ihm eine erste Lektion in Tarifverträgen und Steuerpolitik. Er erklärte mir, er würde mit liebend gerne 10 Pf in der Stunde bezahlen, dann aber müsse er mir 3 Pf für die Lohnsteuer abziehen. Alles unter 10 Pf sei allerdings lohnsteuerfrei. Wir einigten uns auf einen Stundenlohn von 9 Pf und nach der Schule rührte ich fleißig Sand, Zement und Wasser zusammen. Das ging alles mit der Hand vor sich, denn einen Betonmischer ins zweite Obergeschoß zu tragen, lohnte denn doch nicht.
Der Lechners Hans kniete bei seiner Arbeit notgedrungen fast immer. Er hatte mit Schaumgummi ausgeschlagene Knieschoner, die ich sehr bewunderte. Für die Wände waren eierschalenfarbene Fliesen vorgesehen. Als die verlegt waren, ging es darum, welche Farbe die Verfugung zwischen den Kacheln erhalten sollte.
„Rot“ entschied ich, denn rot und weiß seien nicht nur die Farben Frankens, sondern auch die der Familie Rotenhan. Der Lechners Hans grinste und verfugte in Rot. Meine Eltern waren entsetzt, sie hatten an etwas Dezenteres gedacht! Das rote Zeug aber wieder rauspuhlen stellte sich als zu teuer heraus, und so war das „drübere Duschbad“ ein Vorläufer für die später so modern werdende Farbenpracht in deutschen Badezimmern.
Zum Mittagessen ging der Lechners Hans immer in die Schlosswirtschaft. Dort geschah einmal etwas ganz Außergewöhnliches. Das Telefon läutete. Kurz danach trat der alte Herold, der Wirt, hinter dem Schanktresen hervor und verkündete in der Wirtsstube, der Fliesenleger Lechner werde am Telefon verlangt.
Während dieser in der Küche telefonierte, verbreitete sich in der Wirtsstube gespannte Erwartung, man aß nicht mehr, man trank nicht mehr, man wartete auf den Lechner.
Als der wieder erschien wurde er mit Fragen überschüttetet: „Wer war denn edzerd des?“ „Wer moch ner des sei, wo übern Middoch vo dir was will?“
Der Lechner aber setzte sich ganz ruhig an seinen Platz, und als sich die Fragerei gelegt hatte, verkündete er:
„Des war der Nasser, der will äss ich na sein Suezkonol rausbleddl!“
Und dann war das Duschbad fertig. In einer offiziellen Lohntüte bekam ich meinen Lohn: 10 Stunden, macht 90 Pf.
Jetzt brauchte ich nur noch 10 weitere Pf. Mit einer Mark konnte man an der Kirchweih sechs Mal Karussell fahren.
Der Fliesednleger aus Ebern hiess Iffner, mit Holzbein, brauchte keine Knieschoner und war äusserst wendig.