Handwerker aus Ebern
Als mein Vater aus US Kriegsgefangenschaft nach Deutschland zurückkam, fand er erwartungsgemäß ein zerstörtes Land vor. Als er Rentweinsdorf erreichte und das unzerstörte Schloss sah, stöhnte er: „Was, der Kasten steht immer noch?“ Als zukünftiger Erbe ahnte er, was der Unterhalt ihn kosten würde.
Und so waren auch andauernd Handwerker im Haus, die mit Ausnahme des Schreiners alle aus der benachbarten Stadt Ebern kamen. Sie waren Teil des Lebens im Schloss, und wenn der Sattler Georg May meine Großmutter vor der Sparkasse am Grauturm traf, dann rief er ihr zu: „Gell, Frau Baron, die mehrschdn Kardoffln ham mir zwa aa scho gassn.“
Wir Kinder fanden es natürlich immer aufregend, wenn die Handwerker im Haus waren. Da gab es den Spengler Hans Einwag. Sein Enkel Matthias ist heute Redakteur „bein Eff Dee“ in Staffelstein. Meister Einwag und seine Gesellen waren über Jahre damit beschäftigt, Bäder und Klos in das riesige Haus einzubauen, dessen sanitäre Einrichtungen mit rudimentär zu bezeichnen, wahrscheinlich eine Nettigkeit darstellte. Mein Großvater war sehr gegen Badewannen. Er hielt sie für eine sinnliche Schweinerei. Das hielt ihn aber nicht davon ab, den Spengler Einwag zu sich in sein Arbeitszimmer zu bitten, damit er ihm vorsänge. Er war Vorsitzender des Eberner Gesangsvereins, aber er war auch zweiter Vorsitzenden des Bürgervereins. Als junge Männer waren sie alle im Fußballverein gewesen.
Erster Vorsitzender „von Bürcherferain“ war der Hefner Franz Kaiser. Spengler versteht man noch, aber Hefner? So bezeichnete man den Ofensetzer. In fast jedem Zimmer im Schloss stand ein über zwei Meter hoher Keramikofen mit einer Bratröhre. Im Normalfall stand da ein Topf Wasser drin, aber man konnte dort auch Bratäpfel zubereiten.
Meine Mutter war die große Freundin vom Hefner, weil er so wunderbare Geschichten erzählte. Als Franke liebte er es „Sprüch“ zu machen, und so verkündete er in der Wirtschaft zwischen „Seidla und Seidla“: „Ich bin fei ein sehr frommer Mensch. An jedn Ahmd du ich zu unnern Herrgott bäden: Lieber God, ich hab mei Fraa wirglich gern, aber wenn du sa lieber hast, nämm so zu dir!“
Seine „Sprüch“ waren über den Stammtisch hinaus berühmt in Ebern und so war es unumgänglich, dass seine Frau davon erfuhr. Dann klagte er meiner Mutter, dass er das Leben nicht mehr habe: „Ach God, Frau Baron…“
Daraus nicht klug geworden schwadronierte er anlässlich des 50. Geburtstages seiner Frau, „zwa von fümferzwanzich wärn mer liebä.“ Und wieder wurde das der Angetrauten zugetragen…
Der Sattler May kam nicht ins Haus. Zu ihm wurden die schadhaften Möbel mit dem Traktor gebracht. Als Tante Kaula gestorben war, eigentlich hieß sie Carola, erbten meine Eltern unzählige Möbel in Friedensqualität. Das heißt, sie waren seit der Zeit vor dem Krieg nichtmehr repariert worden. Ein riesiges Sofa war darunter, auf dem Tante Kaula in den letzten Jahren geschlafen hatte. Ihr Schlafzimmer konnte sie nicht mehr betreten, weil ein Kleiderschrank zusammengebrochen war, und die Tür versperrte. Das sagte sie aber niemandem.
Nun gut, das Ungetüm wurde nach Ebern zum Sattler May gebracht und einen Tag später rief dieser in Rentweinsdorf an und bat meine Eltern dringend in seine Werkstatt an der Hirtengasse.
Er hatte in den Springfedern und der Polsterung des Sofas ein ganzes silbernes Besteck gefunden, zwölfmal Fadenmuster.