Der Hölle Bein im Advent

Hab‘s schon mal gepostet. Aber im Advent und in der Weihnachtszeit liebt man es, Bekanntes erneut zu hören:

Der Hölle Bein im Advent

Wenn die Kinder, deren Eltern beim Kufi schafften, Schlitten fahren durften, mussten wir die Weihnachtsgeschichte „auserlawendich“ lernen. Für die Kugelfischer Kinder wurde in Ebern eine Weihnachtsfeier organisiert. Wenn die mit Geschenkkörben nach Hause kamen, büffelten wir noch immer: „Und du Beddlehem efraada…“

Unser Krippenspielt fand nur wenige Tage vor Weihnachten statt, während beim Kufi die Weihnachtsfeier schon Mitte Dezember abgehalten wurde.

Meine Mutter studierte im unteren Saal mit den Kindern all derer, die bei uns in Forst, Landwirtschaft oder Brauerei arbeiten, jedes Jahr ein Krippenspiel ein, das sich textlich auf den alttestamentarischen Prophezeiungen und der Weihnachtsgeschichte aufbaute.

Ich kann bis heute alles auswendig, allerdings auf fränkisch. Meine Kinder finden es natürlich mega-peinlich, wenn ich das Weihnachtsoratorium im Dialekt mitsinge.

Wie alle anderen lernte ich „mei Sprüchla“ auf fränkisch. Eine andere Sprache kannten wir nicht.

Biblische Texte sind ja manchmal schon an sich unverständlich, wie sehr erst für Kinder. „Der Hölle Bein“ war deshalb vollkommen klar. Tische, Bienen und Kühe hatten ja auch so was. Dennoch bestand „die Barona“ darauf, dass wir „der Hölle Pein“ sagten. Man muss ja nicht alles verstehen.

Es hab eine ganz klar geregelte Karriereleiter: Man fing an als Engel ohne Kerze, dann als Engel mit Kerze und später wurden die Mädchen Verkündigungsengel, die von den Moabitern und den Söhnen Sets berichteten, von den Ländern Sebulon und Naftali. Das war, als täte sich vom Baunachgrund aus ein Fenster in die weite Welt auf.

„Wer sänn denn die Moabiddä, Frau Baron?“ „Das sind die Bösen. Die Kinder Israel, sind die Guten.“

Wir wussten nicht, was Feinde waren, aber wir wussten, wer die Bösen waren, nämlich die Russn. Halbwegs böse waren auch die Spieler vom FC Gerach oder die gefürchteten Gegner aus Reckendorf. Aber Feinde hatten wir nicht, wollte man mal von den Idioten aus dem Oberdorf absehen.

Als Bub wurde man vom kerzenhaltenden Engel zum Hirten befördert. Als solcher stützte man sich auf einen Hirtenstab und schaute hütend auf das Schaf, eine Bank, über die ein Schafspelz gelegt worden war.

„Und es waren Hirdden in der selben Gechend auf den(!) Felde bei den Hürdden, die hüdeden des Nachds ihre Herte. Und siehe, des Herrn Engel drad zu ihnen und die Glarheid des Herrn leuchdede um sie. Und sie füchdeden sich sehr.“

Das waren machtvolle Worte, die der Hirte dem Publikum zurief!

Vor den Zuschauern hatten alle noch mehr Respekt als vor der Barona, weil im Saal auch die eigenen Eltern saßen. Wehe man blieb stecken, dann erhob sich die Faust des Vaters, der dem Steckenbleiber „kumm ner ham, Fregger“ entgegenschleuderte.

Eine Sonderkarriere war es, Maria sein zu dürfen. Sie hatte nichts aufzusagen, ebenso wie ihr Josef stumm blieb. Dessen Rolle war hingegen unbeliebt, weil er wegen der Nähe zur Mutter Gottes sofort in den Ruf des „Mädlesschmeggers“ kam. Das war so ungefähr das Schlimmste, was einem pubertierenden Buben passieren konnte.

Für Jungs war es karrieremäßig mit einem der Könige aus. Die kamen naturgemäß erst am Ende der Vorstellung als Überraschung hinter einem Vorhang hervor. Sie hatten nichts zu sagen, sondern breiteten nur ihre Schätze aus.

Dennoch waren sie meiner Mutter alljährlich ein Dorn im Auge. Hinter dem Vorhang langweilten sie sich gottsjämmerlich, während vorne rezitiert und gesungen wurde. Die traten regelmäßig mit zerknautschter Krone und verwischter Gesichtsbemalung auf. Dann war das Krippenspiel aus. Alle sangen „Oh du fröhliche….“

Jeder bekam eine Tüte mit Kaffee, Schnaps, Bläztla und Lebkuchen. Die Mädchen bekamen a Bubbn mid an Beddigoo und die Buben a Audola.

Weihnachten konnte kommen.

 

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