Der Fernseher

Unser Vater hatte ganz genaue Vorstellungen davon, was Teufelszeug sei. Er bekämpfte dies mit großer Verve und ließ nicht locker, obwohl sein Kampf sich gegen die Zeitläufte richtete und deshalb zum Scheitern verurteilt war.

Des Teufels waren ganz eindeutig Donald Duck, die Zeitschrift „Der Spiegel“ und das Fernsehen. Ganz in der Nähe befand sich auch noch Franz Josef Strauß, jedoch half es nicht, darauf hinzuweisen, dass der Spiegel doch auch gegen diesen Herrn sei.

Besonders das Fernsehen wurde von ihm gnadenlos verfolgt, so dass ich mich am Sonntag in die Wirtschaft am Planplatz schlich, um dort Fury oder Lassie zu sehen.

Damals in den späten 50er Jahren gab es bereits Farbfernsehen. Der Wirt von der Planwirtschaft hatte eine Folie erworben, die er auf den Bildschirm klebte: unten braun, ist gleich Erde, in der Mitte grün, ist gleich Wiese und oben blau, ist gleich Himmel. Hat nicht immer ganz hingehauen, aber es gab dem Unternehmen den Hauch des Fortschrittlichen.

Am zweiten Weihnachtstag fuhren wir immer nach Thüngen, um dort den Großvater und die übrigen Verwandten zu besuchen. Dort gab es einen Fernseher und das brachte es mit sich, dass wir zum Ärger unseres Vaters den kleinen Lord sahen. Ärger deshalb, weil er zugeben musste, dass der Film nicht in die Kategorie „Teufelszeug“ passte. Gemocht hatte er den Film dennoch nicht, weil er neben Franz Josef Strauß auch die Engländer nicht mochte, ich glaube, das hatte mit der Kriegsgefangenschaft zu tun.

Wie dem auch sei, Disney Heftchen und Fernsehen blieben verboten, den Spiegel habe ich erst viel später zu lesen begonnen.

Dann bahnte sich das Jahr 1972 an und mit ihm das televisive Großereignis der Olympiade in München. Unsere Mutter meinte, Sport könne ja nicht schaden, und überhaupt wären wir unterdessen die einzigen im Dorf, die noch keinen „Fernsäh“ hätten. Sie sei es leid, immer vor dem Frühstück von der Köchin über Katastrophen der Welt unterrichtet zu werden: „Ham sa denn des scho g’hörd? Den Grusdschof ham sa derschossn.“ Es brauchte dann bis zum Eintreffen der Süddeutschen Zeitung gegen elf Uhr früh, um allfällige Fehlinformationen zurechtzurücken:

„Frau Schorn, sie haben den Chruschtschow nicht erschossen, sondern abgesetzt!“ „Noja, bei denna Russn waas mer nie.“

Irgendwann wurde die ständige Fragerei nach dem Fernseher dem Haushaltsvorstand zu bunt und er schloss einen Pakt mit seiner Frau. Sie bekam einen Schmuck für 1000 Mark, und dafür gab es keinen Fernseher. 1000 Mark kostete damals so ein Apparat.

Das Schmuckstück, ich fand es nie schön, hieß nur „der Fernsäh“ und wurde von unserer Mutter mit Stolz und Freude getragen.

Und dann brach die Olympiade an und, wie von Ungefähr stand plötzlich ein Fernsehapparat herum. Im allerkleinsten Zimmer zwar, aber er war nichtmehr zu übersehen. Sie habe ihn vom eigenen Geld gekauft log sie, aber dankbar waren wir unserer Mutter dennoch. Unvergessen ist mir, wie die deutsche Mannschaft die Hindernisreiterei gewann. „Gut Holz“ brüllten wir, wenn ein englischer oder argentinischer Reiter dran war, und es hat geholfen, unsere Reiter haben gewonnen.

Unser Vater brummte etwas vor sich hin, insgeheim amüsierte er sich aber über die Chuzpe seiner Frau.

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