Besteuerung der Rationalisierung

Besteuerung der Rationalisierung

Als Bub habe ich eine wunderbare Familienklamotte gelesen, in der der Vater Spezialist für Rationalisierung war. Er ging durch Fabriken und überlegte, wie man aus zwei Handbewegungen der Anbieter eine einzige machen könnte. Mich hat das fasziniert, zumal unser Vater damals immer von der Rationalisierung der Landwirtschaft sprach.

Was ich mir als Bub natürlich nicht überlegt habe, ist die Tatsache, dass wenn man immerzu aus zwei Handgriffen einen macht, schließlich aus zwei Arbeitern einer wird.

Den Gewinn aus der Rationalisierung hat der Unternehmer, der „freigestellte“ Arbeiter hat dabei keinen Vorteil, es sei denn, man will die Chance auf eine weiterbildende Maßnahme Vorteil nennen.

Tatsächlich ist es in den vergangenen fünfzig Jahren gelungen, dass durch den Druck der Rationalisierung riesige Hallen, in denen Heerscharen von Arbeitern roboterhaft immer wieder die gleichen Handlungen vornehmen, der Geschichte angehören. Ich kann ein Lied davon singen, denn mein erstes gebrauchtes Auto habe ich mir bei Kugelfischer in Ebern am Fließband verdient.

Es ist dem Unternehmergeist und den Gewerkschaften in Europa zu verdanken, dass die wegrationalisierten Arbeitnehmer nicht auf der Straße blieben. Heute ist es so, dass durch immer weiterführende Spezialisierung der Wirtschaft in manchen Branchen fast wieder eine Situation der Vollbeschäftigung erreicht werden konnte.

Das ist gut so. Niemand bezweifelt das. Arbeit ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor unseres Lebens. Alles, was uns umgibt, alles was erreicht wurde, alles, was uns das Leben lebenswert macht, fußt auf der Arbeit der lebenden Generationen und unserer Vorfahren. Arbeit generiert nicht nur Einkommen, es bewirkt auch, dass Steuergelder in die Staatskasse fließen.

Wie wichtig Letzteres ist, konnte ich in Spanien erleben. Als ich 1978 dorthin zog, zahlte niemand Steuern. Der Staat lebte von den direkten, den unsozialen Steuern, die er über den Konsum einzog. Keiner fühlte sich verantwortlich, keiner identifizierte sich mit dem Gemeinwesen. Dann kamen die ersten demokratischen Regierungen und es waren die drei Legislaturperioden unter Felipe González, in denen in Spanien ein funktionierendes Steuersystem aufgebaut wurde. Das Geld wurde dem Bürger erstmals direkt vom Einkommen abgezogen, und so begann man sich dafür zu interessieren, was mit dem Geld geschieht. Jeder merkte, dass es aufwärts ging, Krankenversicherung, Infrastruktur, Gerichte und Renten begannen zu funktionieren, nicht gut, aber immerhin besser als vorher.

Nun frage ich mich, was passiert, wenn die Arbeit immer mehr von Robotern und Computern übernommen wird? Diejenigen, die bisher diese Tätigkeiten ausgeführt hatten, müssen ja irgendwie weiter versorgt werden. Aber die von ihnen bisher entrichtete Lohnsteuer bleibt aus. Das muss, wie es so schön heißt, gegenfinanziert werden. Man wird daher über kurz oder lang darüber nachdenken müssen, Steuern auf Computer und Roboter, ja auf jede Art von Rationalisierung erheben zu müssen.

Wie das geht?

Ich habe keine Ahnung, dafür haben wir ja die einschlägigen Spezialisten. Denen obliegt es, die Angelegenheit zu organisieren.

Dem mündigen Bürger obliegt es, über solche Dinge nachzudenken.

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