Bio Bio

Einmal im Monat muss ich in den Bio Markt. Ich brauche Hafer. Nicht etwa für meinen Gaul, sondern für mein Frühstücksmüsli. Es ist mir jedes Mal ein Angang, denn nirgendwo sonst fühle ich mich so deplatziert wie im Bio Markt.

Außer mir, einem übergewichtigen Barockmenschen, der das Leben und dessen Annehmlichkeiten liebt und lebt, sehe ich Bedenkenträger. Sie sehen alle besorgt aus. Etwa hier am Tee Regal die frühergraute schlanke Dozentin mit bernsteinfarbiger Hornbrille. Sie grübelt vor der Unmenge von Abnehm- Aufwach-, Gutelaune- und Wohlfühltees. Sie schaut mich vorwurfsvoll an, weil ich ohne zu zögern die Osterfriesenmischung greife. Ihr Mann guckt solidarisch, in dem Fall auch vorwurfsvoll. Er schaut und tut immer das, was die angetraute Dozentin vormacht. Sie ist das Alpha-Weibchen, er, wenn‘s hochkommt, ein Delta-Männchen. Neben Tee nehmen sie nur noch Karotten (roh) und natürlich Quinoa zu sich.

Hinter mir quengelt ein Kind, das sich an der nordindischen Pluderhose der Mutter festhält. „Ich will einen Lolli!“ Die Mutter verdreht die Augen, und gibt zu verstehen, dass sie ganz bestimmt nicht daran schuld ist, dass ihre Tochter derart unkorrekte Gelüste hat. Es muss der Einfluss der Oma sein, bei der der Vater das Kind an seinen Besuchstagen abgibt.

„Ich will aber einen Lolli!“ Die Mutter gibt auf. Sie greift ins Kinderregal, wo es tatsächlich einen Bio-Lolli gibt. Den kauft sie aber nicht. Sie wählt eine Packung auf der steht „Zum Naschen für Kids“ Auf dem Preisschild steht 3,48 €. Als die beiden zum Obststand entschwinden schau ich nach: Es sind 80 g Kürbiskerne drin. Kilopreis um die 42 €. Das ist Naschen auf hohem Niveau.

Vor dem Eierstand streitet ein veganes Paar. Dass sie es sind, steht auf ihrer Einkaufstüte. Komisch, dieses Mitteilungsbedürfnis. Aber darum geht es gar nicht. Der Vater weigert sich strikt, Eier zu kaufen. „Du weißt doch, wir nutzen keine Tiere aus!“

Nun, und das sollte für jeden Mann ein Warnsignal sein, versucht die Mutter mit säuselnder Stimme ihn zu überzeugen. „Es ist doch nicht für uns. Aber du weißt doch, der Kinderarzt hat gesagt, wir sollten in Hiobs Roggenschrotpfannkuchen wenigstes ab und zu ein Ei beimischen. Ein Kind braucht Substanz im Essen, hat er gesagt“

Man einigt sich auf ein Ei. Es wird in eine Sechserschachtel verpackt. „Diese Verpackungsexzesse bringen mich noch um den Verstand!“ Der Mann lenkt vom ursprünglichen Sujet ab, um seine Niederlage zu vertuschen.

Die Dozentin hat den Delta- Mann unterdessen zum Obststand geschickt. „Aber achte darauf, dass die Bio-Gurke nicht in Plastik eingepackt ist“ weist sie ihn lautstark an. Darauf durchsuchen alle andere ihren Einkaufskorb. Gottlob, die Gurke ist unverpackt.

Die Fleischtheke gibt es nicht mehr. Offenbar ist mit veganer Kosmetik mehr Umsatz zu machen.

Nun kommt meine Lieblingsphase des Einkaufs: Schlange stehen vor der Kasse. Dort sitzt Don Competente. Er ist liebenswürdig, hilfsbereit, immer zu einem netten Wort aufgelegt, aber er hat die Umständlichkeit erfunden. Hinzu kommt, dass er es sich zur Aufgabe gemacht hat, bei fast jedem Artikel den Kunden auf alternative, womöglich günstigere Angebote hinzuweisen. „Der Bio Emmentaler aus dem Allgäu ist heute billjer.“

Darauf nimmt die Mutter in der nordindischen Pluderhose den Käse, hastet zum Stand, über dem „Fromagerie“ steht. Die Tochter lässt sie unter der Obhut von Don Competente. Der steckt ihr erstmal ein garantiert Nicht-Bio-Bonbon zu. Dann kommt die Mutter mit dem selben Käse zurück. „Der Allgäuer war schon aus.“

Während sich die Käuferschlange bis zum Regal mit Bio-Schuhcreme staut, meint Don Competente: „Na, wenjstens ham wa’s versucht.“

Die frühergraute Dozentin stöhnt, ihr Mann tut solidarisch Gleiches.

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