Geld spielte in unserer Jugend keine Rolle. Wir bekamen kein Taschengeld und es wurde auch nicht darüber geredet.
Der Grund war wohl der, dass niemand wirklich etwas davon verstand. Weshalb in der Weimarer Republik das Geld plötzlich nichts mehr wert war, wie eine Inflation entsteht, was ist Geldpolitik? All das waren Fragen, die in einem kleinen Dorf in Unterfranken wirklich niemanden interessierten.
Die Bewegungen der Holzpreise waren Indikatoren dafür, ob wir zu Weihnachten und Geburtstagen mehr oder weniger Geschenke bekamen.
Geld in der Hand hatten wir als Kinder sowieso nie. Außer an der Kirchweih. Da bekamen wir vom Vater 1 Mark und vom Großvater 50 Pfennige. Das reichte natürlich hinten und vorne nicht für die Schießbude, das Karussell und für den Losverkäufer. Die Kunst lag nun darin die Großmutter, Tanten und Onkel anzuschnorren, ohne dass es wie schnorren aussah. Die merkten es natürlich sofort. Betteln war eben verboten und so musste es eher vor unseren eigenen Augen so aussehen, als bettelten wir nicht.
Irgendwie gelang es uns immer über die Runden der Kirchweihtage zu kommen. Am Ende hatten wir einige Stoffblumen geschossen, genügend im Karussell gesessen und auch so manche Bratwurst verspeist.
Später gab es Geld für Schulnoten: Für eine Eins, eine Mark, für eine Zwei nichts und für eine Drei fünfzig Pfennige. Schlechtere Noten waren in der Volksschule nicht vorgesehen. Als wir auf’s Gymnasium kamen, sollte sich das blitzartig ändern.
Wenn wir unseren Großvater in Thüngen besuchten, schenkte er uns immer 5 Mark. Er war unermesslich reich, denn er fuhr einen Mercedes. 5 Mark war ein Vermögen, das in Thüngen allerdings recht schnell schmolz, denn dort gab es einen Spielzeugladen. In Rentweinsdorf gab es nichts zu kaufen außer einem Fümferlutschä vielleicht. Halt, es gab auch Zehnerkaugummi, aber die waren verboten, ebenso wie Mickey Maus Hefte. Mutter war überzeugt, Kaugummi und Mickey Maus führten direkt in die Kriminalität. Als ich später anfing, den Spiegel zu lesen, war es der Vater, der in ein ähnliches Horn blies.
Bis heute habe ich kein richtiges Verhältnis zum Geld. Ich bin der Meinung, dass man genug davon verdienen muss, um es ausgeben zu können. Sparen, anlegen, investieren? Ich habe keinen Schimmer wie man das macht.
Diese Ahnungslosigkeit macht mir zwar das Leben leicht, ist aber sicherlich die Folge davon, dass über Geld nicht gesprochen wurde. In meinem nun schon langen beruflichen Leben habe ich immer wieder Menschen erlebt, denen ich gerne auf fränkisch zugerufen hätte: „Das ledsde Hemd had keine Daschn!“
Oft haben diese Bekannten, Freunde oder Mandanten mit einer beneidenswerten Behändigkeit Geld verdient und vermehrt. Am bemerkenswertesten fand ich den, der außer Ruhr-Platt keine Sprache beherrschte. Er brachte es zum wichtigsten deutschen Importeur für Herrensocken. Er flog jedes Jahr nach Fernost und nahm sich einen Dolmetscher für Ruhr-Platt und Englisch mit. Nach ein paar Jahren war er Multimillionär.
Ich hätte das nie geschafft, ich weiß auch warum: Frau Schorn, die Köchin meiner Mutter, würzte alljährlich ihre Neujahrswünsche mit diesem Satz:
„Den Gäld sei Hanswurschd und in ein Kallobb auf’n Krab zu!“
Wenn man das verinnerlicht, kann man gar nicht Millionär werden!