Es muss ein Anfall von midlife-crisis gewesen sein, als ich 1997 den Segelschein machte. Ich dachte, das Leben berge keine Herausforderungen mehr an mich, also suchte ich mir eine.
Als ich meiner Mutter von der bestandenen Prüfung berichtete, begann sie sofort zu klagen, das sei ja schrecklich, und wie ich ihr denn sowas antun könne.
Ich bat sie, sich zu erklären: „Ach, da muss ich ja jetzt andauernd Kränze ins Mittelmeer werfen“. Offenbar erwartete sie, dass man als Segler mehrmals ertrinken kann.
Richtig gesegelt bin ich nie, obwohl ich mir eine Jolle gekauft hatte. Der Baum knallte mir bei Wendemanövern immer an den Kopf, weil er einfach zu tief hing. Meine Kinder behaupteten, mein dicker Bauch hindere mich am schnellen Wegducken.
Wie dem auch sei, es lag kein Segen über der Angelegenheit. Bald verkaufte ich die Jolle und meine Mutter war erleichtert.
Nun habe ich in der kommenden Woche vor, meinen ersten richtigen Segeltörn auf der Adria vorzunehmen. Skipper ist ein Vetter, der behauptet, segeln zu können. Wir, das sind noch drei weitere Verwandte, meine Frau und ich, sind nun sehr gespannt auf das, was auf uns zukommen wird.
Dass die Sache doch etwas mulmig ist, merkte ich daran, dass ich meinem Patensohn in Rentweinsdorf von dem Törn berichtete und ich ihn, schließlich ist er Chef der Familie, bat, sollten wir umkommen, nach Split zu reisen und dort für jeden eine Kranz in die Adria gleiten zu lassen.
Seine Antwort war entwaffnend: „Onkel Hans, da runter zu fahren, ist viel zu teuer, die Dinger schmeißen wir in den Kappelsee“.
Es muss der Heilige Geist gewesen sein, der mich in dem Moment an Bonhoeffers Gebet denken ließ:
„Von guten Mächten wunderbar geborgen…“
Seither nagt der Verdacht in mir, Bonhoeffer könnte mit den guten Mächten doch nicht die Familie Rotenhan gemeint haben.