Am nächsten Morgen ging es heim. Unter sorgsamer Umgehung von Sarajewo fuhren wir über unbefestigte Straßen zur Adria hinunter. Der Busfahrer raste dahin, als befänden wir uns auf der Autobahn, Eselskarren wurden ohn Ansehn des Gegenverkehrs überholt. In den Schluchten unter uns lagen Traktoren, Autowracks und ein ganzer Bus.
Käiserliche Hoheit aber verbreitete über das Bordmikrofon Frohmut und Zuversicht: „Die Gospa fährt mit uns, da kann nichts passieren“. Wahrscheinlich war sie nur froh, Sarajewo vermieden zu haben. Ich dachte derweil mit großen Sorgen an den versteckten Eiskasten.
Offenbar fuhr die Gospa tatsächlich mit, denn wir kamen wohlbehalten in Split an. Kulturbeflissen wie man halt so ist, machten sich alle an die Besichtigung der Stadt. Diokletians Palast und so. Ich aber fragte käiserliche Hoheit, ob ich sie zu Mittagessen einladen dürfe. Zu meiner Freude sagte sie zu. Gerade waren Weißwein und köstlicher Fisch serviert, da tat sich die Tür auf. Der alte Graf Nostitz kam herein und setzte sich ungefragt an unseren Tisch. Er hielt uns einen Vortrag darüber, dass es ein Skanal sei, dass in der Hofburg ein Bürgerlicher als Bundespräsident residiere. Er konnte sich gar nicht mehr beruhigen und versaute uns damit das Mahl.
Übernachtet wurde in einem Ferienhotel an den Plitwitzer Seen, wo Winnetou im Film mit Old Shatterhand Blutsbrüderschaft schloss. Die Seen waren nicht zu sehen, weil es schon Nacht war, als wir ankamen. In unserem Dreibettzimmer bekam ich das Notbett. Von Bett konnte gar keine Rede sein, von Not aber schon. Ich konnte nicht schlafen. Fluchend und leicht bekleidet verlegte ich die Matratze mitten in der Nacht auf den Boden, was zwar meinem Schlaf nicht aufhalf, wohl aber zu Pauls Belustigung beitrug. Was macht man nicht alles.
„Sozialismus betegség“ fluchte ich. Kroatisch beherrsche ich nicht, aber ich dachte, wenn ich auf Ungarisch „Sozialismus ist eine Krankheit“ fluche, würden die das über die Abhöranlage schon verstehen. Vielleicht aber würde der jugoslawische Geheimdienst auch nur denken, ich betete den Rosenkranz. Das hatte ich von der streitenden Mutter gelernt.
Ohne weitere Zwischenfälle kamen wir nach Wien, wo sich alle, von den vergangenen Tagen erschöpft, verabschiedeten.
Was hatten mir diese Tage gebracht? Vordergründig eine bis heute anhaltende Zuneigung und Bewunderung für Regina Habsburg. Ich habe sie als engagierte, humorvolle, fromme und extrem vornehme Dame kennengelernt. Ich bewundere sie nachhaltig und versäume es nie, wenn ich in Wien bin, ein Vaterunser an ihrem Sarkophag in der Kapuzinergruft zu beten.
Nicht zu vernachlässigen ist, dass diese Wallfahrt mir einen einmaligen und nie wiederkehrenden Einblick in die Welt des k.u.k. Hochadels ermöglichte. In meinem Leben habe ich nicht wieder eine solche Ansammlung von Exzentrikerinnen erleben dürfen.
Wichtigster Eindruck aber war die versammelte Frömmigkeit, die mich im Bus zunächst nervte dann belustigte, in Medjugorje aber von Anfang an tief berührt hat. Man verstand ja kein Wort, aber die Zielgerichtetheit einer riesigen Gemeinde, diese Solidargemeinschaft der Betenden, das begleitet mich bis heute.
Und das Sonnenwunder? Ich fand es kurios, suchte vergeblich nach einer physikalischen Erklärung und erlebte den nachträglichen Neid meiner katholischen Mitchristinnen eher als kindische Niedertracht. Aber was war das Sonnenwunder schon für mich?
Für Paul aber war das Wunder lebensbestimmend. Es war der Beginn eines neuen, gesunden Lebens. Bald nach der Wallfahrt konnte er an Krücken gehen. Ein Jahr nach der Wallfahrt warf er die Krücken auf den Abfall. Heute ist er glücklich verheiratet, hat viele Kinder und ist sehr erfolgreich in seinem Beruf.
Zwei Jahre später erfuhr ich, dass die streitende Tochter geheiratet habe.
Fazit der Wallfahrt: Ein voller Erfolg!