Die Tage in Medjugorje hatten nur ein Ziel: der Gottesdienst am Nachmittag. Langsam wurde es Paul und mir fad und so baten wir, ob der Busfahrer, der sich ebenso langweilte wie wir, nicht eine kleine Tour nach Mostar unternehmen könnte. Wir versprachen, zur Nachmittagsmesse wieder da zu sein, und los ging´s.
Damals war Mostar noch nicht zerbombt und die alte Brücke stand auch noch. Ich schob Paul über die Brücke, wir staunten hinunter und ich unterhielt mich mit den sephardischen Händlerinnen in den Souvenirläden auf Spanisch. Sogar meine Hoffnung, mal etwas anderes zu essen zu bekommen, erfüllte sich. Wir fanden ein Restaurant, wo es Cevapcici gab, Hundesdremmerln wie Qualtinger sagte. Paul bekam dazu noch ein riesiges Eis, und so waren beide glücklich.
Zurück beim Bus bemerkte ich, dass der Fahrer Bierflaschen in ein offenbar geheimes Eisfach hinter der Verkleidung einlagerte. Er beklagte sich, dass er nun auf der Rückreise „Bier vo do“ trinken müsse. Das klang so, als erlitte er gerade alttestamentarische Heimsuchungen.
Tatsächlich kamen wir pünktlich zur Messe wieder nach Medjugorje und gingen auch gleich brav in die Kirche. Nach einer Stunde fanden Paul und ich, dass es nun gut sei, und ich schob ihn um die Kirche herum, wo wir hinter der Apsis den Sonnenuntergang beobachten wollten.
Medjugorje liegt auf einer Hochebene, die nach Westen von einer Bergkette begrenzt wird, so dass man meint, hinter den Bergen plumpse die Sonne in die Adria.
Schon auf der Herfahrt war immer wieder vom Sonnenwunder die Rede gewesen. Nicht immer, aber manchmal könne man während die Gospa den Seher Kinder erscheine, gewisse Veränderungen an der Sonne beobachten, das Sonnenwunder eben.
Paul und ich saßen ganz friedlich hinter der Apsis und schauten dem Sonnenuntergang zu, als sich plötzlich die Sonne aus ihrer ursprünglichen Position löste, wo ein dunkles Loch übrigblieb. Die Sonne selbst bewegte sich auf uns zu, wich wieder zurück , umkreiste das schwarze Loch und näherte sich uns.
Kein Zweifel, das war das Sonnenwunder. Ich schaute gebannt diesem Phänomen zu, als ich neben mir Pauls Stimme hörte: „Danke, liebe Gospa.“
Ich streichelte ihn über die Schulter und murmelte „Ich lass dich mit ihr allein“.
Ich war wirklich sehr bewegt. Da hatte der Bub bei allem Spaß und bei aller Rumalberei die ganze Zeit nur darauf gewartet, dass ihm die Mutter Gottes ein Zeichen für seine Gesundung gäbe. Und als dieses Zeichen kam, erkannte er es sofort als an ihn gerichtet. Deshalb war sein „Danke“ das einzig adäquate Wort.
Auch wenn ich meine Gebete an Jesus Christus richte, denke ich bis heute, dass das Wort „Danke“ in unser aller Gebete einen wichtigen Platz einnehmen sollte.
Dann läuteten die Glocken, die Messe war aus und die Menge der Wallfahrer strömte auf die Esplanade vor der Kirche.
Ich war von dem Erlebten noch etwas benommen, als vor mir ein Bus und mehrere Limousinen hielten. Heraus strömte meine gesamte katholische Verwandt- und Bekanntschaft aus Franken. Johanna Castell, damals schon verheiratete Lobkowitz, und Isabell Ortenburg, unterdessen verheiratete Salis riefen unisono „Hans, was machst den duu hier?“ Und sie hatten ja Recht: in Medjugojje kann man alles erwarten, außer den Hans Rotenhan. Der war damals in Franken als rote Socke verschrien und dann war er auch noch als Aussteiger nach Ibiza abgehauen. Mal ganz abgesehen davon, dass Rotenhan und evangelisch fast ein Synonym ist.
Es blieb nicht viel Zeit mit ihnen, denn unterdessen hatte Paul seiner Mutter vom Sonnenwunder berichtet, die dies sofort den anderen Damen unserer Gruppe weitererzählte. Die Aufregung war groß.
Und dann geschah etwas Kurioses: Mit den Tagen hatte ich mich vom Paria (männlich, deutsch, evangelisch, nur Baron Aund kein Trachtenjanker) zum geduldeten Glied der Mannschaft emporgearbeitet (trägt und schiebt des „oarme Buberl“, wirkt als ÖAMTC etc.).
Auf einmal schwappte mir eine Welle der Kälte entgegen. Wenn man mich vorher irgendwie akzeptiert hatte, so schaute man mich nun scheel an. Man war eifersüchtig. Es sei eine Ungerechtigkeit, hörte ich, dass ausgerechnet ein „Brodestant“ das Wunder des Erscheinens der Heiligen Mutter Gottes erleben durfte, und sie, die noch nie etwas anderes gewesen seien als erzkatholisch, wären leer ausgegangen.
Beim Abendessen setzte ich mich Schutz suchend neben käiserliche Hoheit. Ich wusste unterdessen, dass wir uns gegenseitig mochten. Es gab wieder serbische Bohnensuppe und in Eierteig ausgebackene Schnitzel.
„Zur Änderung des Speiseplanes hat die Wunderwirkung offenbar nicht gereicht“ sagte ich so leicht hin. Das hätte ich nicht tun sollen, denn vor Lachen verschluckte sich käiserliche Hoheit und ich musste ihr ganz ununtertänig auf den Rücken hauen, um den Erstickungstod zu verhindern.