Alle freuen wir uns über die vorläufige Freilassung des deutschen Menschenrechtlers Peter Steudtner. Dass seine Mitstreiter ebenfalls freigekommen sind, ist ein weiterer Grund zur Freude.
Fragen aber bleiben.
War das ein rechtstaatliches Verfahren?
In einem Spiegelinterview wurde der türkische Außenminister Cavusoglu auf Steudtner angesprochen. Er versprach, sich für die Beschleunigung einzusetzen.
Schwupp, einige Tage später setzt das Gericht einen Termin an.
Als die Verhandlung nun gestern ablief, berichteten Prozessbeobachter, dass der Staatsanwalt, der ja schließlich die Anklage erhoben hat, im Verfahren so gut wie keine Fragen stellte und am Ende er es selbst war, der die Freilassung der Angeklagten beantragte.
Autoflagelación nennt man das, wenn die Sünder in der Semana Santa in Spanien sich selbst geißeln.
Was der türkische Staatsanwalt gestern getan hat, war „autoflagelcaión jurídica“.
Zuerst wird er zu einer politischen Anklage getrieben, der er getreulich nachkommt und dann? Ja was eigentlich?
In den 16 Uhr Nachrichten kommt nun am Tag nach der Freilassung die Meldung, Altkanzler Schröder habe nach der Bundestagswahl dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan einen Besuch abgestattet.
„Den grausts vor garnix“ war mein erster Gedanke, der von folgender glasklaren Erkenntnis gefolgt war:
Schröer kann gut mit Putin. Putin kann seit Neuestem gut mit Erdogan. Putin braucht ein besseres Verhältnis zu Deutschland. Erdogan braucht das auch.
Putin ruft in Ankara an, dann in Hannover und schon setzt sich Schröder ins Flugzeug und wird von Erdogan empfangen, der daraufhin seinem Staatsanwalt die Weisung gibt, den Ball schön flach zu halten.
Der foppt sich zwar, weil er sich zuerst juristisch weit aus dem Fenster gelehnt hat, und nun das Fenster unverrichteter Dinge wieder schließen muss. Aber Gehorsam ist immer dann eine gute Option, wenn die Gefahr besteht, bei Ungehorsam ein „terörist“ geheißen zu werden.
Wie gesagt, ich freue mich für Peter Steudtner, aber machen wir uns nichts vor: Das Verfahren war kein Hinweis darauf, dass die Türkei zu rechtsstaatlichen Prinzipien zurückgekehrt ist. Das Strafgesetzbuch am Bosporus heißt Erdogan.