Bei Kindern ist immer irgendwas Mode und das wird dann bis zum Abwinken betrieben, sei es Fahrradfahren, Ritterles, Fangerles, Fussball oder Versteckerles. Bei meinen Vettern in Thüngen war lange Zeit das Fangen und Halten von Teichmolchen große Mode. In Eimern, Weckgläsern oder Bierflaschen wurden die bedauernswerten Viecher gehaltern, manchmal auch in Freigehegen, die den zusätzlichen Reiz brachten, die Lurche über Nacht am Abhauen zu hindern, was meist misslang. Tagelang standen wir in moddrigen Pfützen und Tümpeln, um mit der Hand oder mit einem kleinen Netz die Teichmolche wieder einzufangen, die uns in der Nacht zuvor abhandengekommen waren.
Es war Sommer, wir hatten nur kurze Lederhoden an und waren alle braungebrannt, als kämen wir gerade von der Adria zurück. Auf dem Thüngener Schlosshof versuchten auch unsere Tanten, braun zu werden. Sie lagen züchtig im einteiligen Badeanzug auf Liegestühlen. Bewegungslos und mit geschlossenen Augen dienten sie dem Gott der Schönheit.
Natürlich schauten wir, die vorpubertären Burschen, uns genauer an, was da geboten wurde, wobei der Gedanke, die Tanten mit Wasser zu bespritzen, das Verlockendste an dem ganzen Unternehmen war. Allerdings trauten wir uns das nicht und spielten weiter Teichmolch-Dompteure. Die eher plumpen Tierchen gediehen in unserer Obhut und unserer Phantasie zu wunderschönen Geschöpfen, wir bewunderten ihre Behändigkeit und Eleganz im Wasser und belachten ihre Unbeholfenheit auf dem Sand.
Eines Tages sonnte sich Tante Christa auf dem Schlosshof, und, unerhört, sie tat es im Bikini. Zunächst aus der Distanz dann zögerlich näherkommend betrachteten wir dieses außergewöhnliche Schauspiel mit Interesse. Irgendwann bemerkte sie uns und öffnete die Augen. Verlegen standen wir nun rum, bis einer von uns die Situation so erklärte und entschärfte:
„Danbde Grisda, du hasd fei a Fichürla wie a Deichmolch!“
Neulich haben wir ihren 85. Geburtstag gefeiert und dabei festgestellt, dass ihr „Fichürla“ unverändert geblieben ist.