Zum Frühstück in der Kantine am nächsten Morgen kam eine der JAT Prinzessinnen in äußerst euphorischer Stimmung. Es sprudelte nur so auch ihr heraus, sie sei fast durch! Ja, womit denn? Sie berichtete, sie wohne nun schon seit Jahren immer, wenn sie nach Medjugorje käme, bei einer muslimischen Familie und seither unternehme sie alles, um sie zum Christentum zu bekehren.
Offenbar hatte sie vor Jahren als Gastgeschenk das mitgebracht, was man in Franken „a Lurdesla“ nennt, also eine Statue der Jungfrau von Lourdes im elektrischen Sternenkranz.
„Und stellt´s euch vur, ich komm da herein in die gute Stubn und da steht die Heilige Mutter Gottes auf dem Tisch und die Lamperln um sie her löichdn.“
Ich tröstete mich in der Gewissheit, dass der Liebe Gott ihrer trotz allem gnädig sein werde.
Der Tag ging dahin, zu Mittag gab es Salat mit in Eierteig ausgebratenem Schnitzel. Ich erinnerte mich daran, dass meine Mutter, eine „Gadohlenhasserin“, so heißt so was auf fränkisch, empört davon berichtet hatte, dass eine „gadohlische“ Freundin von ihrer Wallfahrt nach Lourdes lediglich zu berichten wusste, dass es dort ganz vorzüglich Austern gegeben habe. Was das Kulinarische anging, spielte unsere Wallfahrt höchstens in der dritten Liga.
Nach der Messe ereignete sich ein Eklat und das kam so: Nachdem ich nun schon seit Tagen meinen Patensohn herumschob oder –trug, mich bemühte ihn zu bespaßen, nachdem seit Tagen neue, nervende und auch beglückende religiöse Erlebnisse über mir hereinbrachen, dachte ich, es könne nicht schaden, wenn ich zum Abendmahl ginge. Meine Schwester hatte das beobachtet, und fuhr mich nach dem Gottesdienst an, ich hätte das als Nicht-Katholik nicht gedurft, ich hätte mir die Heilsgaben vom Tisch des Herrn erschlichen. Ich fand das nach Tagen des gemeinsamen Betens, Singens, Lachens und Kümmern derart hirnrissig, dass ich nicht in der Lage war, ernsthaft zu antworten und deshalb erwiderte ich, von Heilsgaben im Plural könne ja wohl keine Rede sein, denn nicht einmal einen Wein hätten sie mir gegeben. Das machte die Sache nur noch schlimmer und so war es gut, dass rheinische Pilger aus dem Nichts mit der Nachricht daherkamen, sie wüssten aus guter Quelle, dass die Gospa heute Abend bei Sonnenuntergang am Ort der Erscheinung zu sehen sein werde.
Medjugorje ist von steilen Karstbergen umgeben. Auf einem davon war Maria den Seher Kindern, als sie die Ziegen hüteten, erschienen. Kein Weg, kein Steg führt da hinauf, man muss über spitze und scharfkantige Kalksteine nach oben klettern. Meine Schwester musste mit mir und dem Schicksal hadernd unten bleiben, um Paul beizustehen. Mich hatte Käiserliche Hoheit gebeten, mitzukommen, man wisse ja nie, was bei einem solchen Haufen alter Damen alles passieren könne.
Nach dem Abendessen in der Kantine, es gab serbische Bohnensuppe und in Eierteig ausgebackene Schnitzel, machten wir uns auf den Weg. Ich weiß nicht mehr, wie viele Höhenmeter wir überwinden mussten, aber bald schon war ich voll im Einsatz: „A geh, mach mir den ÖAMTC“. Ich könnte als Anhang zum Gotha eine Doktorarbeit über Umfang und Beschaffenheit der Popos des weiblichen k.u.k. Hochadels anbieten. Ich habe sie alle angeschoben. Pállfy, Trautmannsdorff, Colalto, Thun, Schwarzenberg, Croy, Hunyadi, Montecuccoli. Alle wollten hinauf und schafften es nicht allein.
Gegen jedes Dafürhalten kamen wir gesund oben an. Der die Rheinländer begleitende Priester und käiserliche Hoheit (was brauchten wir da noch einen begleitenden Priester?), begannen zunächst Marienlieder zu singen. „Meerstern, ich dich grüße“ konnte ich unterdessen. Dann wurde der Rosenkranz gebetet, aber es tat sich nichts. Man versuchte es noch einmal, die Gospa erschien immer noch nicht.
Unterdessen war es dunkel geworden und käiserliche Hoheit mahnte zum Aufbruch. Der Abstieg ohne Licht werde sicherlich gefährlicher sein als der Aufstieg. Diesmal war meine Tätigkeit als ÖAMTC mehr die, Handerln zu halten, und ich machte Studien über Umfang und Beschaffenheit der vorhandenen Siegel- und sonstigen Ringe. Käiserliche Hoheit war die Einzige, die daran gedacht hatte, eine Taschenlampe mitzunehmen und so wechselten sich die Hilferufe nach dem ÖAMTC und „käiserliche Hoheit, bittschön, das Lamperl“ ab.
Dann stürzte käiserliche Hoheit. Glücklicherweise hatte sie sich nicht verletzt, aber das Lamperl war verloren gegangen. Nun war ich im vollen Einsatz bis sich kurz vor dem Tal das kaiserliche Lamperl in Höchstdero Lodenmanteltasche wiederfand.
„A Wunder, a Wunder, die Gospa hat´s Lamperl retour bracht.“ Alle waren tief ergriffen. Ich fand, dass das eigentliche Wunder bestand darin, dass bei dieser waghalsigen und sinnlosen Tour niemand zu Schaden gekommen war.
Sinnlose Tour? Von wegen!
Die rheinischen Pilger hatten droben weiter gesungen und gebetet, und als wir nun alle unten angekommen waren, schwoll die Intensität des Betens und Singens zu orkanartiger Lautstärke an.
Kommentar der streitenden Mutter. „Die Gospa da droben und mir da herunten. Na Servus!“