Es ist üblich geworden, das Volk zu befragen, wenn in einem Staat etwas Wichtiges geändert werden soll.
Beispiele: Italien, Verfassungsreforrm, Großbritannien, Brexit, Katalonien, Unabhängigkeit von Spanien.
In allen Fällen handelt es sich um Entscheidungen, die tief in das bisherige Gefüge des jeweiligen Staates eingreifen. Sie haben erheblich größere Auswirkungen als eine simple Verfassungsänderung. Für die aber braucht es eine Zwei Drittel Mehrheit im Parlament. Es ist geradezu ein Absurdum, die italienische Verfassungsreform per einfacher Mehrheit der zur Wahl Gegangenen scheitern zu lassen und darüber geht eine bisher stabile Regierung hopps.
Ähnlich verhält es sich mit dem Brexit. Der Austritt aus der EU ist eben erheblich mehr als eine Verfassungsänderung. Die Regierung aber hält sich daran, obwohl das Referendum nicht bindend war. Erschwerend kommt hinzu, dass die Entscheidung Vieler auf der Basis von Lügen der Herren Johnson und Farage fußte.
Wenn am 1. Oktober tatsächlich in Katalonien darüber abgestimmt wird, ob man sich von Spanien loslösen soll, so ist das eine Entscheidung, die nicht nur die Katalanen etwas angeht, sondern alle Spanier. Aber alle diejenigen, die nicht in Katalonien wohnen können gar nicht mitstimmen.
Volksbefragung hört sich so demokratisch an, alle werden gefragt, und alle dürfen mitentscheiden. Da Mehrheiten wechseln, da die Wahlbeteiligung schwankt, wird auf diese Weise die Grundlage jeden States auf eine labile Grundlage gestellt, die Werte werden beliebig.
Ja, aber die Schweiz! Ja, da funktioniert es, weil die Schweizer vom Vorschulalter an wissen, wie wichtig ihre direkte Demokratie ist und weil jeder Schweizer mit seinem direkten Eingriffsrecht umgehen kann. Der Ausgang des Brexit Referendum beweist, dass die Bürger einer repräsentativen Demokratie nicht daran gewohnt sind, ihr Wahlrecht wichtig zu nehmen: Die es am meisten angeht, die Jugend, ist erst gar nicht wählen gegangen.
Ähnlich ist es jetzt in Katalonien: Die Parteien, die die Separation befürworten, haben ein Klima der Pression geschaffen, in dem es schwer ist, sich für den Verbleib in Spanien zu äußern, ganz abgesehen davon, dass die spanische Verfassung in ihrem Artikel 155 ein solches Referendum verbietet. In einem solchen Klima sind freie Wahlen nicht möglich.
Wir, die wir in Demokratien leben, in denen der Wille des Volkes alle vier Jahre an unsere Parlamentsabgeordneten delegiert wird, sind bisher gut damit gefahren, dass Probleme ausdiskutiert werden. Wenn dieses Ausdiskutieren dem Diktat des eher zufälligen Ausgangs eines Referendums ausgesetzt wird, verlieren wir ein gutes Stück bewährter demokratischer Tradition.
Wie schnell Volkeswille in eine Diktatur mündet, haben die Deutschen in den 12 Jahren nach 1933 erlebt, Polen, Ungarn und Türken erleben es zur Stunde.
„Wie schnell Volkeswille in eine Diktatur mündet, haben die Deutschen in den 12 Jahren nach 1933 erlebt, Polen, Ungarn und Türken erleben es zur Stunde.“
Na, dann willst Du das vermeiden, indem gleich „diktiert“ und niemand gefragt wird. Prima, dann umgehen wir das lange Warten auf eine Diktatur.