Der Tod wird in Franken erfreulicherweise als das behandelt, was er ist: Ein zwingend vorgegebener Teil allen Lebens.
Verbal führt das manchmal zu seltsamen Höhenflügen wie etwa diesem im Diskant vorzutragenden:
„Lina geh a mol spaß halber rübä.“
„Wos is denn?“
Dei Mo is gschdorm.“
„Ja, erschd wird gassn!.“
Wenn auf der Straße der plötzliche Tod eines Nachbarn besprochen wurde, war das Folgende unweigerlich Bestandteil der Tratsches:
„Ledsda Wuchn hob ich na fei nuch gsenn. Hab ich na fei nuch gagrüsd. Had er fei nuch gadangd“. Im deutschen Besinnungsaufsatz hätte Lehrer mit roter Tinte an den Seitenrand geschrieben: „Bezug?“
Eine andere Geschichte erzählt von eineiigen Zwillingen, die sich so ähnlich waren, dass die Eltern nicht wussten, wer der Schorsch und wer der Luddwich war. Es endet grausam so: „Zern guudn Glügg is nacher aaner gschdurm. Wer, ham sa ned gewissd, aber der wo übrich gabliem ist, den hamsa nacher Schorschla gheisn.
Eine meiner Tanten, sie lebte auf dem Lichtenstein, hatte ein gestörtes Verhältnis zur Buchführung. Die besorgte ihr der Direktor der Raiffeisenkasse, der bei ihr extremen Geiz feststellte. Er fasste diesen seinen Eindruck in folgende Worte:
„Das ledsde Hemd had keine Daschn!“ Die Tante entsagte daraufhin seiner Hilfe, was sie bei der darauffolgenden Steuerprüfung arg bereuen musste.
Berühmt waren die Grabreden vom Biggo. Er war der Wirt der „ündern Wirdschaft in Rentweinsdorf. Er gab sich als Atheist, im Nachhinein glaube ich, dass er ein in der Wolle gefärbter Nazi war. Aber er konnte reden und er war Mitglied im Kriegerverein.
In der Schlosswirtschaft hatte damals der Hochs Karl erzählt, er sei aus dem Fußballverein ausgetreten, weil dort der Jahresbeitrag 50 Mark kostete, der im „Griecherverain“ aber nur 30. „Un an Granz griech ich aa!“ Das zeigt, wie sehr man sich auf das eigene Sterben vorbereitete.
Um die Weihnachtszeit passierte im Ort ein schrecklicher Unfall. Ich glaube, es war der Regs Schuster, der unter seinem umgefallenen Traktor starb. An seinem Grab stand der Biggo und rief mit seiner sonoren Stimme den Trauernden zu: “In dieser frohen Weihnachdszeid, wo das Lichd zu uns Menschen kummd, da sengde sich eine dungle Wolge der Drauer und Verzweiflung über uns Gristenmenschen…“ Die Gemeinde war beeindruckt, der Pfarrer befürchtete, der Biggo könne ihm die Schau stehlen.
Wenn einer starb, nein eine starb, der man nachsagte, sie habe „a Guschn wie a Schwerdd“, dann fragte man die Hinterbliebenen: „Habd Ihr hoffendlich ned vergessn, die Guschn extra dod zern schlogn?“
Es ging direkt und grausam zu, aber immerhin redete damals noch keiner euphemistisch von „heimgehen“ oder „wenn mir mal was passieren sollte“.
Manchmal wünschte sich auch einer, dass was passierte. Es war natürlich der Schmitt´s Adel, der meinen Vater dies fragte:
„Herr Baron, ham Sie denn scho den Abschußblan ferddich?“
Als mein Vater bejahte, kam dies: „Schood derfür, ich hädd Sie sunsd gabädn, äss Sie mein Alda mid drauf sedserdn.“ Seine Frau, die Schmitt´s Kalina, stand neben ihm.
„Fregger, ehländer“ schimpfte sie, und dann lachten alle drei.