Nachdem der 5. Duke of Sutherland kinderlos verstorben war, erbte den Titel ein entfernter Verwandter in männlicher Linie.
„Aber das Land, das hat meine Mutter bekommen und nach ihr werde ich es bekommen. Das ist mir auch lieber so.“
Lord Strathnaver grinste breit und lud meine Frau und mich ein, am kommenden Morgen auf ihn vor Dunrobin Castle zu warten, er würde uns den Familiensitz zeigen.
Er und seine Familie wohnten damals wunderschön in der Dairy, in der ehemaligen Molkerei direkt am Meer. Wir waren dort zum Abendessen eingeladen.
Dunrobin Castle liegt auch direkt am Meer, von dem es durch einen beeindruckenden französischen Garten getrennt ist. Ein eigener Landungssteg ist natürlich auch da, denn man kam zur Sommerfrische aus London mit der eigenen Yacht, die Reise über Land war zu beschwerlich.
Der Lord führte uns zunächst in einen Pavillon im Park. „Wir haben nur etwa 10% ausstellen können, der Rest steckt noch im Lager.“ Es handelt sich um die Jagdtrophäen des 3. Duke of Sutherland. Löwen, Tiger, Elefanten, Büffel, Hirsche und sogar ein ausgestopfter Wal sind dort zu bestaunen. Der Duke war ein leidenschaftlicher Jäger. Im Pavillon werden einige hundert ausgestopfte Tiere gezeigt.
Im Schloss erfreute uns der Lord in jedem Zimmer mit einer anderen Anekdote.
„Dies ist die Ehefrau des Jägers.“ Wir standen vor einem Portrait einer jungen Frau in Trauerkleidung. „Nein, nein, ihr Mann lebte noch. Der britische Adel ließ sich damals stets in Trauerkleidung portraitieren in Solidarität mit der Queen, die um Prince Albert trauerte. Sie hat später ihren Mann verlassen. Er hatte sich zu sehr um wilde Tiere und andere Damen gekümmert. Sie zog nach Südengland. Die upper class hielt das für einen Skandal. Aunt Anne wurde geschnitten. Das hörte Queen Victoria, die den 3. Duke nicht ausstehen konnte. Eines Tages fuhr sie mit der Kutsche unangekündigt zur Victoria Station, vorneweg eine Ehrenkompanie, trapp trapp trapp, und hinter ihr eine weitere. Das fällt schon auf. Mit dem bereitgestellten Hofzug fuhr sie nach Sussex, wo Aunt Anne nun wohnte. Dort wartete wieder eine Ehrenkompanie, die die Queen zum Haus brachte. Sie nahm mit der 3. Herzogin von Sutherland den Tee, und dann fuhr sie zurück nach London, was wegen der Ehrenkompanien wieder auffiel. Sie hat kein einziges Wort in der Öffentlichkeit verloren, aber von Stund an wagte es keiner mehr, die Duchess nicht einzuladen, wenn man Feste feierte“.
Das ganze Schloss war mit einem dieser grässlichen Teppichböden ausgelegt, die man in Großbritannien sogar im Klo findet. Der Lord erklärte uns, das sei der Tartan des Sutherland Clans. „Meine Mutter ist Ceann Cinnidh der Sutherlands, Chefin des Clans. Irgendwann wurde ihr aus einer Konkursmasse dieser Teppichboden angeboten. Da der Preis gut war, hat sie den ganzen Posten übernommen. Es ist zwar nicht schön, den eigenen Tartan mit Füssen zu treten, aber so schonen wir das Parkett. Sutherlands gibt es auf der ganzen Welt und alle wollen Dunrobin Castle ein Mal in ihrem Leben besuchen. Da kommt Einiges an Besuchern zusammen.“
Der Park macht dem Lord Sorgen. Die Buchsbaumhecken lechzen im Sommer nach Sonne. Nur die nach Westen weisenden Äste wachsen und mit ihnen die Wurzeln. Die Hecken wandern jedes Jahr etwa einen Zentimeter nach Westen.
Der Lord spricht ausgezeichnetes Österreichisch. „Ja, das kam so; Mein Zwillingsbruder und ich haben uns als Jugendliche sehr schlecht benommen. Die Eltern beschlossen, uns zu trennen. Er wohnte fortan bei Verwandten in Frankreich und ich bei Freunden meines Vaters auf einem Schloss in den Alpen“.