Früher war die Küste Mallorcas unbewohnt.Die Piraten waren eine ständige Gefahr, nur ein paar winzige Fischerhütten duckten sich am Strand und in den Buchten. Man aß Schweinefleisch und diese Typen waren verdächtig, die da Tiere aus dem Meer zogen, die schon schlecht rochen, wenn sie ihren Weg in die Dörfer gefunden hatten.
Irgendwann fiel mir auf, dass trotz der mangelnden Bebauung zu jedem Strand und zu jeder Bucht ein Weg führt.
Ich fragte meinen Freund Pau, der zunächst laut und dann verächtlich lachte. „So blöd kann auch nur ein Deutscher fragen. Irgendwie mussten die Schmuggler doch an’ s Meer kommen!“
Es stellte sich heraus, dass Paus Großvater einer der großen Schmuggler Bosse an der Südküste war. „Der hat dem Juan March doch erst gezeigt, wie das mit der Schmugglerei geht!“
Tatsächlich lebte Mallorca vor dem Einsetzen des Tourismus-Booms in erster Linie vom Schmuggel. „Contrabando de tabaco“, das war das Hauptgeschäft, aber auch Grundnahrungsmittel, Motoren, Nylon Strümpfe und Parfüm gehörten zu dem, was im Ausland billig zu holen war und am spanischen Zoll vorbei auf den Markt gebracht werden konnte.
Pau schmunzelte, als er fortfuhr, er schien den alten Zeiten nachzutrauern: „Das große Glück waren die schlecht bezahlten Leute vom Zoll und von der Guardia Civil. Die bettelten geradezu danach, bestochen zu werden. Liebend gerne haben die dann woanders hin geschaut, wenn mal wieder eine größere Ladung ankam.“
Damals gehörte Algerien zu Frankreich und dort arbeiteten ganze Fabriken ausschließlich für den spanischen Markt. Einige dieser Fabriken kaufte später Juan March auf, ganz nach dem Motto; “Wozu hat der Mensch zwei Hände? Damit er zwei Mal kassieren kann.“ Einmal als Zigarettenfabrikant und ein zweites Mal als Schmuggler.
Pau gab zu, dass das Genie von Juan March das seines Großvaters übertraf. „Der hat dann die Banca March gekündigt und war über Jahre hin der reichste Mann Spaniens.“
Noch heute gehört seinen Nachkommen alles Land östlich von Colonia de Sant Jordi. „Westlich davon gehörte alles uns“, sagte Pau.
So befand sich die gesamte Südküste von Mallorca vom Faro des Cap de Ses Salines bis nach Sa Rápita unter der Kontrolle zweier Schmuggler Familien. Paradiesische Zustände!
Unterdessen sind das hoch angesehene Familien, es gibt eben nichts Besseres als ein kriminelles Genie zum Großvater. Wie angesehen, zeigt folgende Anekdote: Im Fischrestaurant Manolo in Ses Salines war für 14.30 eine Reservierung für eine Familie Rodríguez eingegangen. Als zur angesagten Zeit niemand kam, vergab Manolo den Tisch an Carlos March, dem Chef der March-Gruppe. Kaum hatten er und seine Familie sich hingesetzt, erschien Don Felipe mit Anhang. Damals war er noch Kronprinz. Er sagte, er habe zur Tarnung auf den Namen Rodríguez reserviert. Manolo antwortete, er bedauere, aber er habe wegen der Verspätung den Tisch schon weiter anderweitig besetzt. Carlos March reagierte sofort und geistesgegenwärtig: „Ich überlasse Hoheit unseren Tisch, wenn er nachher zu café, brandy y puro zu mir auf die Finca Sa Vall kommt“. So geschah es. Es soll eine große Sause geworden sein.