Vormund, schwerer Anfang

Wer Vormund ist, sollte seine Mündel kennen, aber eben tunlichst auch das Umfeld, in dem sie leben. Deshalb habe ich per Whats App eine Familienkonferenz einberufen. Zwei Onkel, die Tante und die Buben wussten, dass ich am Montag um 10 Uhr bei ihnen aufkreuzen würde. Nun bin ich ja aus Spanien gewohnt, dass Ankündigungen Schall und Rauch sind. Dennoch amüsierte es mich, dass mein heutiges Auftauchen basses Erstaunen erregte. Der eine Onkel war gar nicht erst erschienen, der zweite war nicht aus dem Bett zu prügeln.

Zunächst aber musste ich mich mit dem „manager“ des Hostals streiten. Seit Anfang des Monats prüfen die Behörden, wer für die Kostenübernahme zuständig ist. Nun fürchtet der „manager“ um die Miete für seine 7,84 qm und macht ausgerechnet Druck auf die Tante. Sie ist Analphabetin und entsprechend hilflos. Ich habe mit allerlei gedroht, als Anwalt hat man sowas ja im Repertoire und der „manager“ versprach, nun brav zu sein.

Ja, tatsächlich, die beiden Buben leben mit Tante und Onkel auf 7,84 qm, 1,96qm pro Nase. Ich habe heute beim Bezirksamt Antrag auf Zuteilung einer anständigen Wohnung gestellt. Es ist nämlich so, dass der ebenfalls analphabetische Onkel nachts mit dem Handy im Internet surft. Dann ist er tagsüber müde und muss schlafen. Er verlangt dann Ruhe auf 7,84 qm. Zunächst war ich alarmiert, als ich von den nächtlichen Internet-Reisen erfuhr. Radikalisiert sich da einer? Oder stimmt das gar nicht und statt zu surfen vertickt er Verbotenes am Kotti?

Dass der Onkel Analphabet ist, hat mich dann erstaunlicherweise beruhigt, denn sowohl Terrorist als auch Verticker am Kotti verlangt ein Minimum an Schulbildung. Ich hoffe, dass ich mich da nicht täusche.

Ich hoffe, dass die Wohnungsfrage bald geklärt ist. Erst dann kann ich mich bemühen, dass die Buben in einen Sportverein kommen. Einer will Fußball spielen, der andere will schwimmen.  Und auch erst dann kann ich die Tante bei einem Alphabetisierungskurs anmelden. Sie hat erkannt, dass das notwendig ist, aber sie ist halt schrecklich hilflos.

Die Familie stammt eigentlich aus Palästina. Erst flohen sie von dort nach dem Libanon, dann während des Bürgerkrieges ausgerechnet nach Syrien. Der Vater ist vermisst, die Mutter wohnt mit zwei kleinen Mädchen in einer syrischen Hafenstadt.

Die Buben sagten mir heute, sie wollten nun in Deutschland bleiben. Kann ich verstehen. Das heißt aber auch, dass ich nun darauf achten muss, dass sie in der Schule wirklich fleißig sind. Sie sollen ja aus ihrem Leben etwas machen können. Es ist wichtig, dass die Buben verstehen, dass Deutschland nicht Sozialhilfe auf das Konto bedeutet, sondern Chance durch Anstrengung.

Aber was nützt es, wenn Sozialhilfe auf das Konto fließt, die Zugangskarte aber nicht funktioniert. Die Tante war vollkommen überfordert damit. Ich hab das dann geregelt, nach dem schönen Berliner Motto: „Na det mach’n wa ooch noch!“ Ich denke, es wird nicht bei der Vormundschaft über die beiden Buben bleiben…

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