Heute habe ich eine Familienkonferenz einberufen und zu meinem Erstaunen kamen tatsächlich alle. Zuvor aber habe ich den „manager“ des Hostals gesprochen, in dem meine beiden Mündel mit Tante und Onkel leben. Er ist nach wie vor sehr besorgt, weil immer noch nicht klar ist, ob die Kostenübernahme vom LAGeSo bezahlt wird oder vom Bezirksamt. Ich verstehe seine Sorgen, denn er bekommt für ein Zimmer von 7,84 qm Größe mit zwei Kajütbetten 3.570 € vom Staat pro Monat. Das ist eine Miete von 455 € pro Quadratmeter.
Er sagt, er bekäme das, weil er sein Hostal bereitstelle und es in Berlin eben Wohnungsnot gäbe. Kein Wunder, dass auf seinem Schreibtisch ein Schlüssel mit dem Mercedesstern rumliegt. Das Dilemma ist, dass der Staat für eine Wohnung für vier Menschen nur 587 € + 162 € Heizkosten zahlt. Dafür finden meine Leute keine Wohnung und so bleiben sie halt notgedrungen für den sechsfachen Betrag in einem unzureichenden vollkommen überteuerten Zimmer.
Der älteste Bruder war gekommen, es war mir wichtig, ihn kennen zu lernen. Er wohnt am anderen Ende der Stadt und sagt, seine Notunterkunft sei gut für ihn, aber bitte, der Rest der Familie könne da unmöglich leben. Offenbar handelt es sich um eine Massierung von „Jungbullen“ und es spricht für ihn, dass er die Unzumutbarkeit erkennt.
Heute habe ich den immer schlafenden Onkel kennen gelernt. Er ist entweder depressiv oder traumatisiert. Zum Arzt aber geht er nur wegen der Pickel in seinem Gesicht. Offenbar kümmert sich dessen Vormund gar nicht.
Auch mit der Tante habe ich gesprochen, denn sie hat einen Termin beim Jobcenter. Ich habe ihr erklärt, dass sie jetzt anfangen muss, zu arbeiten. Sie sagte, sie könne nähen. Ich hoffe, dass sich da was findet.
Sie, die Analphabetin, führt das Konto auf das alle Leistungen des Staates eingezahlt werden. Das Hostal wird direkt bezahlt. Sie hat keinen Überblick über die Ausgaben. Ich bat sie, mir die Kontoauszüge zu schicken. Mal sehen, ob das klappt.
Unterdessen habe ich herausgefunden, dass es sehr rührige ONGs gibt, die sich um die Flüchtlinge kümmern. Die Caritas veranstaltet sogar einen Lehrgang für Vormunde. Da geh ich hin, denn als spanischer Anwalt habe ich natürlich keinen Schimmer von den deutschen Sozialgesetzen. Heute Nachmittag gehe ich zu „Pankow hilft“ in der Hoffnung, dass man dort mit der Wohnung helfen kann. Meine Leute brauchen endlich eine dauerhafte Wohnung. Sonst klappt das mit der Integration nie.
Die beiden Buben haben erneut erklärt, in Deutschland bleiben zu wollen.Die Hoffnung auf Frieden in Syrien haben sie offenbar vorerst aufgegeben. Ich habe ihnen erklärt, dass sie sich nun Gedanken über ihre Zukunft machen müssen. Wollen sie Abitur machen, mittlere Reife? Wollen sie ein Handwerk erlernen? Der Gedanke schien ihnen neu zu sein, obwohl ich schon mal darüber geredet habe.
Zum Schluss habe ich „Begrüßung“ mit allen geübt. Araber schauen beim eher laschen Händedruck weg. Ich habe ihnen erklärt, dass das in Deutschland so aufgefasst werde, als habe man etwas zu verbergen. Und dann übten wir festen Händedruck mit ebenso festem Blick in die Augen. Das führte zu großer Belustigung. Das hatte ich ja bereits bei meinen Vorträgen über Verfassungsrecht für Flüchtlinge so erlebt und festgestellt, dass gemeinsames Lachen gut ist, um Vertrauen aufzubauen.