Menschenwürde: Selbstbestimmungsrecht

Wie weit reicht das Selbstbestimmungsrecht?

Weil niemand Einfluss auf seine eigene Geburt hat, und wie wir gelernt haben, die Zufälligkeit der Entstehung von Leben zur Würde des Menschen gehört, gibt es eine Denkschule, die meint, auch das Ende des Lebens sei dem Selbstbestimmungsrecht, der Würde des Menschen, entzogen.

Tatsächlich war Selbstmord, und zwar nur dann wenn er misslang, bis 1961 ein strafbarer Tatbestand. Da man einen Toten nichtmehr verurteilen kann, war der missglückte Suizid das einzige Delikt, das nur im Stadium des Versuchs strafbar war. Das war schon hirnverdreht genug, wurde aber durch die Begründung, weshalb das strafbar sei, noch übertroffen: Die Krone verliert durch den Selbstmord einen Untertan (sic). Besser kann man das Wort „Untertan“ nicht definieren.

Das wurde bis 1961 so weiter angewendet und statt eines Psychologen saß ein Staatsanwalt am Krankenbett all derer, die den Versuch der Selbsttötung überlebt hatten.

Wir sprechen hier nicht von Ethik, nicht von Religion und wir sprechen auch nicht darüber, dass ein Selbstmord immer eine Tragödie für die zurückbleibende Familie ist. Wir sprechen davon, wie weit das Selbstbestimmungsrecht des Menschen reicht.

Seit 1961 hat man in Deutschland gemerkt, dass mit dem Zufall der Geburt die Zufälligkeit aufhört. Die Würde des Menschen beginnt mit der Geburt und je erwachsener ein Mensch wird, desto mehr kann er das der Würde innewohnende Selbstbestimmungsrecht autonom ausleben.

Das ist nicht immer ganz leicht, miterleben zu müssen: Zunächst wehren sich unsere Kinder gegen die Bevormundung durch ihre Eltern und nun merke ich, wie ich beginne, mich gegen die Bevormundung meiner Kinder zu wehren.

Die Würde des Menschen beinhaltet auch, der Übergriffigkeit der nächsten Verwandtschaft Paroli zu bieten.

Aber ich schweife ab. Wir waren bei der Frage, ob das Recht auf Selbstbestimmung den eigenen Tod einschließt?

Selbstverständlich!

Im September 2010 war eine Todesanzeige in den gossen Zeitungen Deutschlands in aller Munde: Eberhard von Brauchitsch und seine Frau Helga waren am gleichen Tag in Zürich verstorben.

Es war klar, sie hatten die Möglichkeit eines assistierten Freitodes in der Schweiz in Anspruch genommen.

Nun ist es ja manchmal nicht so einfach, seinem eigenen Leben ein Ende zu setzen. Krankheit, Bewegungslosigkeit, der Möglichkeiten gibt es viele, die Hilfe zum eigenen Tod sinnvoll erscheinen lassen.

Weil in Deutschland die Hilfe zum Freitod noch immer rechtlich unklar ist, zwingt man verzweifelte Menschen dazu, den Wunsch, das eigene Leben zu beenden, mit unwürdigen Mitteln, und schlimmer noch, mit unsicheren Methoden zu verfolgen.

Fazit: Wenn der Rechtsstaat erkannt hat, dass der Freitod Teil der Würde des Menschen ist, dann darf er diesen Wunsch nicht nur körperlich gesunden Menschen offenhalten. Gerade diejenigen, die durch unerträgliche Krankheiten den Tod herbeisehnen, sind diejenigen, die um ihrer Würde willen der Hilfe anderer bedürfen. Das aber darf nicht länger strafbar sein.

Javier Bardem, der spanische Schauspieler hat in dem Film „Mar adentro“ einen jungen Mann verkörpert, der nach einem Sprung ins Meer, es war eine felsige Untiefe, vom Hals abwärts gelähmt im Bett lag. Immer deutlicher wurde es, dass dieser Zustand irreversibel war und immer deutlicher wurde es, dass der Mann in seinem Bett nur mehr sterben wollte.

Als ihm endlich, endlich eine anonyme Hand den Strohhalm in den Mund führt, mit dem er die tödliche Flüssigkeit aufsaugen kann, ging durch den Kinosaal ein Aufatmen, nur vergleichbar mit dem erlösten Gesicht des Gelähmten.

Kommentar verfassen