Menschenwürde. Das Recht auf Unvorhersehbarkeit.

Das Gute an den Verwandtenbesuchen über Ostern ist, dass man auf diese Weise freiwillig Menschen trifft, die man sonst nur auf Beerdigungen sieht. Es wird sich noch etwas hinziehen, bis ich alles verarbeitet habe, was ich in Thüngen, wo meine Mutter herkommt, mit Freunden und Verwandten besprochen habe, hier erstmal Eines:

Wir sprachen über Menschenrechte und überlegten, ob das Klonen von Menschen mit der Würde desselben vereinbar sei. Der Bauch sagt natürlich unreflektiert vehement „nein“, auch wenn es irgendwie faszinierend klingt, wenn man sich durch einen Klon ein seelenloses Ersatzteillager an Organen anschaffen kann. Seelenlos deshalb, weil ich natürlich zunächst davon ausgehe, dass alle Menschen Geschöpfe Gottes sind. Ein nicht von Gott geschaffener Mensch ist deshalb per definitionem „seelenlos“.

Das wäre im Lichte der Menschenrechte erstmal unerheblich, denn die Menschenwürde ist losgelöst von jeglichem Credo in unsere Verfassung gekommen. Christen, Buddhisten, Juden, Moslems, Atheisten und Hindus, die Würde aller Menschen ist unantastbar. Deshalb war es mit interessant, die Frage zu diskutieren, ob man einen Menschen klonen darf, ganz unabhängig davon, ob ein Mensch das Geschöpf Gottes ist oder nicht.

Ich sagte, einen Menschen dürfe man schon deshalb nicht klonen, weil dann ein gengleicher künstlicher Mensch entstünde, der allerdings nicht gleich bliebe, weil die Umstände des Lebens, das zu leben ihn trifft, nicht die nämlichen sein werden, die die „Klonmutter“ treffen oder getroffen haben. Sie werden also nie gleich sein. Hinzu kommt, dass auch ein Mensch, der unter Missachtung der Menschenwürde geschaffen wird, natürlich Anspruch auf Menschenwürde hat, er kann also niemals als Ersatzteillager gebraucht und missbraucht werden.

Darüber hinaus ermangelt es dem geklonten Leben einer Eigenschaft, die mir nachhaltig zu denken gibt: Ein Mensch kann nur dann im Sinne der Menschenwürde geschaffen werden, wenn dies zufällig geschieht. Das Zusammentreffen von Samenzelle und Eizelle muss notgedrungen zufällig sein, die Züchtung von Menschen ist rechtswidrig.

Nun ist es ja nicht so, dass unser Leben einfach wäre.

Darum: Und was ist mit der in vitrio Fertilisation? Das ist ja nun alles andere als zufällig. Da gilt der Wille des Paares, das sich Nachkommen wünscht, mehr als das Recht des Ungeborenen auf Zufälligkeit. Alles, was darüber hinausgeht, ist aber deutlich mit der Würde des Menschen nicht vereinbar, also natürlich auch der Versuch, den „idealen“ Germanen zu schaffen, selbst dann, wenn unter Umständen die beteiligten Hitlerjungen und BdM Maiden einverstanden gewesen sein sollten.

Stellen wir uns nur kurz vor, die Zufälligkeit, das Unvorhersehbare wäre plötzlich nicht mehr Teil unseres Lebens: Glück, Unglück, Lebensweg, Partnerwahl und natürlich der eigene Tod wären bekannt und veröffentlicht. Vorzüge hätte das natürlich schon: endlich wäre der Urlaub so planbar, dass man zu Onkel Fridolins Beerdigung grad noch rechtzeitig von den Seychellen zurückkäme. Das gewählte Beispiel zeigt, wie absurd das alles ist, und zeigt auch, welch hohes Gut die Nichtvorhersehbarkeit unseres Lebensweges ist.

Friedrich II, der Staufer, hatte in schon fortgeschrittenem Alter eine Wahrsagerin befragt, die ihm mitteilte, er werde an einem blumigen Ort sterben. Daraufhin beschloss der Listige, der sein ganzes Leben damit zugebracht hatte, Konventionen, Gesetzmäßigkeiten und überkommene Ethik über den Haufen zu werfen, diesmal den Tod zu überlisten und mied „hinfort“ die Stadt Florenz.

Er starb im Castell Florenti

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