Verfassungsrecht für Tschetschenen

Gestern durfte ich den Vortrag über Grundrechte für Flüchtlinge in einer Schule in Neuruppin vor Tschetschenen halten.

Es kamen sieben Mütter und drei Mädchen, 11,15 und 16 Jahre alt, sowie zwei junge Männer. Eine Lehrerin der Schule übersetzte in Russische.

Es war eine vollkommen andere Situation als bisher, schon allein deshalb, weil die Frauen überwogen und ohne ihre Männer gekommen waren. Die Diskussion war dadurch erheblich lebhafter.

Als ich zu Anfang von der Würde des Menschen und dem daraus folgenden Recht der Selbstbestimmung sprach, kam es zu einer schwierigen Situation. Aus früheren Vorträgen und aus der Presse weiß ich, dass es unter Flüchtlingen immer wieder zu sexuellen Übergriffen auf Kinder und auf Vergewaltigungen junger Frauen kommt. Ich hielt es daher für meine Pflicht, zu sagen, dass zum Recht der Selbstbestimmung auch das Recht gehört, ob und mit wem man sexuelle Beziehungen haben möchte, wobei alles erlaubt ist, wenn alle Beteiligten zustimmen, nur Sex mit Menschen unter 14 Jahren steht unter Strafe.

Da meldete sich eine der Mütter und sagte, ihre Kultur erlaube es nicht, über solche Dinge zu reden, noch dazu nicht, wenn Mädchen im Raum seien. Der Versuch, ihr klarzumachen, dass bei allem Respekt vor der mitgebrachten Kultur die Realität in Deutschland es notwendig machten, sehr wohl über Geschlechtliches zu sprechen, scheiterte. Im Verlauf der Diskussion sagte sie, was ihre Töchter wissen müssten, das wüssten sie. Meine Frage, wer denn den Umfang des Wissens bestimme, blieb unbeantwortet.

Ich habe dann versucht, alles, was in irgendeiner Weise kompromittierend sein könnte, nicht zu sagen. Man kann sich vorstellen, wie blumig meine Ausführungen zum Recht auf Nichtdiskriminierung ausfielen.

Dessen ungeachtet, verließen die drei Mädchen nach einer Stunde den Raum, der Vortrag wäre ihnen peinlich, wurde mir übersetzt. Ich hatte eher den Eindruck, dass es ihnen unangenehm war, vor ihren Müttern, derartiges zu hören.

Es entsteht nun der Eindruck, hier habe ein „sex maniak“ den Vortrag über Grundrechte dazu benutzt, seinem Hobby zu frönen. Nein, das Thema Sex, hat höchstens 5 Minuten eines 90minütigen Vortrages gedauert. Dennoch hing es wie eine drohende Wolke über dem Ganzen.

Die Mütter berichteten dann, dass ihre Töchter wegen des Kopftuches von den Mitschülern gehänselt und von einigen Lehrern diskriminiert werden. Mit Kopftuch dürfen sie nicht an die Tafel, werden nicht aufgerufen etc. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass an dieser Schule eine latent ausländerfeindliche Stimmung herrscht. Beschwerden werden abgeblockt und den Betroffenen fehlt das sprachliche Handwerkszeug, um dafür zu sorgen, dass die Missstände „nach oben“ weitergeleitet werden.

Zum Schluss rief ich die Mütter dazu auf, das Gespräch in der Familie zu fördern. Tabuisierung und Zensur führen zu nichts. Was daraus folgend im Geheimen geschieht, macht den Missstand nicht besser, sondern nur offenbar.

Die drei Mädchen waren ja nun draußen und deshalb wagte ich die Feststellung, mangelnde Aufklärung sei der erste Schritt zu einer ungewollten Schwangerschaft.

Ich bin sehr gespannt, ob Reaktionen kommen, noch gespannter bin ich allerdings, ob ich erneut eingeladen werde, den Vortrag zu wiederholen.

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