Verfassungsrecht für Flüchtlinge IX

Nun waren einmal mehr afghanische Flüchtlinge dran und damit gewann der Gleichbehandlungsgrundsatz enorme Bedeutung.

An der Universität lernt man, dass es Verfassungsnorm ist, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt werden muss. So weit so gut und auch so theoretisch.

Jedermann versteht, dass ein Mensch ein Mensch ist und jedermann versteht, dass ein Krieg ein Krieg ist. Nur, wenn man Afghane ist, erlebt man an der eigenen Haut, dass ein Mensch aus Syrien anders behandelt wird als ein Mensch aus Afghanistan, weil in Syrien Krieg herrscht und in Afghanistan auch Krieg herrscht.

Die güldenen Worte des Grundgesetzes klingen in den Ohren von Afghanen wie blanker Hohn. Zwei Männer, die für die Amerikaner als Dolmetscher gearbeitet haben, berichten, sie hätten doch genau für die Ziele wie Demokratie und Rechtsstaat gearbeitet. Nun hätten sie fliehen müssen und das demokratische und rechtsstaatliche Land in das sie geflohen seien, zeige ihnen die kalte Schulter.

Es nützt da herzlich wenig, wenn ich erkläre, jede Regierung habe einen Gestaltungsspielraum, der es ihr erlaube autonom zu entscheiden, was ein sicheres Herkunftsland sei und was nicht. Da lachen die Afghanen sardonisch und ziehen eine Liste mit all den nahen Verwandten aus der Tasche, die in den vergangenen Monaten getötet worden sind.

Dass unter Umständen ein Gericht einmal entscheiden wird, dass Afghanistan doch kein sicheres Herkunftsland ist, lässt diese Menschen natürlich eher kalt und ist nicht dazu geeignet, ihr Vertrauen in einen funktionierenden Rechtsstaat zu vermehren.

Man muss sich das vorstellen: „Wir waren in einem Camp in Mazedonien, etwa 1000 Syrer und 50 Afghanen. Dort haben uns Helfer des Roten Kreuzes aus Deutschland gesagt, wir sollten unter keinen Umständen in Mazedonien bleiben. Sie haben geraten, nach Deutschland zu kommen, da sei alles viel besser. Das stimmt ja auch, aber von uns Afghanen hat nicht einer Asyl bekommen und von den Syriern alle.“

Ich habe ihnen erklärt, dass unter der derzeitigen Rechtslange eine Abschiebung nur dann verhindert werden kann, wenn man eine konkrete Gefährdung für Leib und Leben im Herkunftsland nachweisen könne.

Was denn das sei? Zum Beispiel gelte, als Dolmetscher für eine fremde Macht gearbeitet zu haben und nun in Afghanistan als Volksfeind betrachtet zu werden, lediglich als abstrakte Gefahr und sei kein Abschiebungshindernis, wurde ich belehrt.

Ich saß mitten drin in der Bredouille, denn sie hatten ja Recht, wenn sie mir vorwarfen, ihnen hier vom Pferd zu erzählen, denn für sie wären die Freiheiten und Rechte der Demokratie offenbar nicht anwendbar.

Ich suchte nach einem Befreiungsschlag, der die Absurdität ihrer Lage beleuchtet und der gleichzeitig ein homerisches Lachen provoziert. Es hätte auch schiefgehen können, aber ich hatte Glück, als ich in meine alte Trickkiste griff:

“Sie können natürlich immer sagen, sie seien homosexuell, darauf steht in Afghanistan die Todesstrafe. Homosexuell zu sein, ist in der Regel ein Abschiebungshindernis.“

„How could I prove it“ fragte einer der Dolmetscher grinsend.

„Rape the judge“ antwortete ich, und plötzlich war die Spannung draußen. Die Absurdität meiner Antwort ging einher mit der Absurdität ihrer Lage. Ich konnte diese nicht ändern, aber wir konnten gemeinsam lachen.

Kommentar verfassen