Religion ist Privatsache

Artikel 3 der Verfassung Afghanistans:

„In Afghanistan darf kein Gesetz dem Glauben und den Bestimmungen der heiligen Religion des Islam wiedersprechen. (Übers.: Max Planck Inst. f. ausl. öff. Recht u. Völkerrecht)

Dies könnte, ja dürfte in keiner Verfassung eines Rechtsstaates stehen, da dort die Würde des Menschen oberstes Gut ist. Die Submission aller unter die Doktrin von Religion oder einer Religion widerspricht diametral dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit.

In westlichen Demokratien steht es nicht explizit in den Verfassungen, aber dort kann kein religiöses Gebot bestehen, das den Werten der Verfassung widerspricht.

Meinungsfreiheit, Schutz des Lebens, Schutz der Kinder, Unverletzlichkeit der Wohnung, kurz alles, was sich aus dem „habeas corpus Act“ von 1679 weiterentwickelt hat, steht über dem, was Religionen wollen.

Nun sind es ja meistens nicht die Religionen selbst, die übergriffig werden, sondern deren Vertreter: Pfarrer, Rabbis, Imame, Popen, Priester, Gurus, Mönche und viele andere, die auf der Lohnliste irgendeiner religiösen Vereinigung stehen, haben die verständliche Tendenz, die Meinung zu vertreten, zuerst käme die Religion und dann erst alles andere, brav nach dem Motto: „Wess Brot ich ess, des Lied ich sing.“

Das ist normal, ich finde ja auch, dass der Beruf des Rechtsanwaltes immens wichtig ist.

Aber sind dieses Denken und dieses Verhalten auch richtig?

Wohl kaum. Niemand darf einem anderen vorschreiben, wie er zu leben hat. Jeder kann Vorbild sein, darf aber nicht verlangen, dass dies von den anderen wertgeschätzt wird. Sie nerven schon ziemlich die Apostel, wobei ich jetzt nicht messen will, ob Religionsapostel mehr nerven als Ernährungsapostel etc.

Wenn sich jemand von seiner angestammten Religion abwendet, sich einer anderen zuwendet, an nichts mehr glaubt oder dem fränkischen Glaubensbekenntnis nachhängt (ich glaab, äs zwa Pfund Rindsflääsch a guda Subbn gibd), dass alles kann und muss dem Staat schnurtz und piepe sein. Und es muss auch all denen schnurtz und piepe sein, die damit nicht einverstanden sind, wenn jemand von Religion nichts wissen will.

Man könnte denken, dies seien Selbstverständlichkeiten. Es waren auch für mich stets Selbstverständlichkeiten, weil ich in Spanien in einem extrem säkularisierten Land gelebt habe.

Nun lebe ich seit 30 Monaten in Deutschland und stelle mit Entsetzen fest, dass es hier ganz starke Tendenzen gibt, die dem Ziel zuarbeiten, den weltlichen Staat unter eine religiöse Fuchtel zu bringen.

Der Staat hat die Freiheit eines Christenmenschen zu garantieren, nicht aber das, was ein Christenmensch darunter versteht.

Die dümmlichen Sprüche, die vor einer Islamisierung Europas warnen, haben in Wahrheit im Sinn, einen christlichen Staat aufzubauen, um gegen eine andere Religion Stellung beziehen zu können.

Nein, um einer wie auch immer gestalteten „-isierung“ unserer Demokratien in Europa entgegen zu treten, braucht es keine eifernden Geistlichen sondern aufrechte Staatsbürger.

 

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