Man wird bemerkt haben, dass ich mich schon seit geraumer Zeit mit dem Begriff der Menschenwürde herumschlage. Das liegt am Artikel 1 des Grundgesetzes, „die Würde des Menschen ist unantastbar“, den ich meinen Vorträgen für Flüchtlinge immer voranstelle.
Nun habe ich vor einigen Tagen ein kleines Buch gefunden, das im C.H.Beck Verlag der Jura Professor Dietmar von der Pfordten veröffentlicht hat. Es heißt schlicht “Menschenwürde“ und auf die Gefahr hin, zu langweilen, will ich in den kommenden Beiträgen immer mal wieder daraus zusammenfassen.
Von der Würde haben zuerst die Römer geschrieben. Erstaunlicherweise kannten die Griechen diesen Begriff nicht. Sie sprachen – wiederum erstaunlich – von der Seele. Sie ist die dem Menschen innewohnende Eigenschaft, Gut und Böse unterscheiden zu können. Dies unterscheidet den Menschen vom Tier, das außer in rührenden facebook Filmchen,A nicht in der Lage ist, unter Hintanstellung eigener Interessen Gutes zu tun.
Noch in der Todeszelle, bevor er den Schierlingsbecher nahm, versuchte Sokrates die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen. Das Vergehen des Körpers sei nicht schlimm, der habe Lüste und Neigungen, igitt, aber die Seele, die sei rein und unsterblich, sie sei die Substanz des Menschen. Diese zu achten und zu schützen sei Aufgabe der Menschen und ihrer Staaten. Hier leuchtet zum ersten Mal so etwas wie Menschenwürde auf.
Cicero hat später das Wort „dignitas“, Würde, in die Diskussion eigebracht. Er meinte damit in erster Linie, die Würde, die ein Amt oder eine gesellschaftliche Stellung gibt. Er meinte aber auch, dass derjenige, der ein Amt oder eine Stellung innehabe, sich gefälligst entsprechend zu benehmen habe. Der Würdenträger muss der Würde des Amtes selbst gerecht werden.
Wir haben es in Deutschland erlebt, wie Bundespräsident Wulff abtreten musste, weil er die Würde des Amts verletzt hatte, ob schuldhaft oder nicht, spielte dabei keine Rolle.
Gerade erleben wir es tagtäglich, wie der 45. Präsident der Vereinigten Staaten die Würde seines Amtes mit Füssen tritt.
Es ist es wert, hineinzuhören, was Cicero in „De officiis“ schreibt: „Es gehört zu jeder Untersuchung des pflichtgemäßen Handelns, immer vor Augen zu haben, wie sehr die Natur des Menschen das Vieh und die übrigen Tiere übertrifft; jene empfinden nichts als Vergnügen und auf diese stürzen sie sich mit aller Kraft, der Geist des Menschen aber wächst durchs Lernen und Denken, er erforscht immer etwas, handelt oder lässt sich durch die Freude am Sehen und Hören leiten.“
Hier wird zwar der Samen der Verteufelung des Genusses und der Körperfeindlichkeit gelegt, dennoch ist es ganz offenbar, dass die Würde des Menschen undenkbar ist ohne seine Bereitschaft zum Verzicht, zur Anstrengung und zur ständigen Fortbildung des Geistes. Eben römische Tugenden, wie wir noch heute sagen.
Das Christentum hat später die Idee der unsterblichen Seele und Ciceros Gedanken von der „dignitas“ als einem unveränderlichen Kern des Menschseins übernommen.
Thomas von Aquin bringt dann endlich das dazu, worauf wir schon lange gewartet haben: Die Sünde. „Indem der Mensch sündigt, verlässt er die Ordnung der Vernunft und fällt somit ab von der Würde des Menschen, sofern der Mensch von Natur aus frei und seiner selbst wegen da ist.“ (aus „Summa theologiae“)
Mal sehen, wie es weitergeht mit der Menschenwürde.
Damit es aber nicht zu langweilig wird, schnell noch diese Geschichte: Mein Freund José war in Palma mit einer etwas prüden Engländerin verheiratet, die natürlich eine Katze hatte, die natürlich Pussy hieß. Als diese läufig wurde und immer am Fenster kratzte, um über die Dächer der Stadt zu verschwinden, schaute die Dame kurz von der Lektüre des „Christian Science Monitor“ auf und rief der Katze zu: „Pussy, a bit of dignity, plaese!“