Die Hasenburg in Basel, vornehm Château Lapin, ist mein absolutes Lieblingsrestaurant in dieser Stadt. Das Schöne daran ist, dass es gar kein Restaurant ist, es ist eine Beiz.
Nirgendwo gibt es bessere Rösti mit Leberli, nirgendwo sonst trifft man die Prominenz und die Genialität Basels in geballterer Form als hier. Man trifft dort sogar manchmal geniale Schwobe.
Einmal saß am Nebentisch Charles Brauer, den wir alle als Kommissar neben Manfred Krug kennen. Ich habe ihm zum Kaffee einige von meinen Luxemburgerli rübergeschoben und als er fragte, weshalb ich in beschenke, meinte ich, es sei wegen seiner Verdienste um das deutsche Liedgut. Er war hoch erfreut.
Mein leider verstorbener Schwager Urs betrieb am Andreasplatz um die Ecke eine Bio Bäckerei. Vom Buure-Brot über Spack-Bangerli bis zu Bärlauch-Bangerli buk er alles was gesund war und noch heute ist, auch Weihnachtsplätzchen aus Vollkornmehl. Eine Dame, der eines davon zum Kosten angeboten wurde, meinte das, was ich natürlich nicht zu sagen wagte: „Also, das schmeckt jetzt zu gesund.“
Urs ging nach getaner Arbeit fast jeden Tag auf eine Stange in die Hasenburg, wo er sich mit Freunden traf. Er gehörte zu den Deutsch-Schweizern, die nur Schwietzer Dütsch sprechen, auch dann, wenn er mit marokkanischen Beduinen über den Ankauf von Sandrosen verhandelte. Als ich begann zu verstehen, was er sagte, nahm er mich manchmal mit ins Château Lapin (jeweils auf der ersten Silbe zu betonen). Die Stange Feldschlösschen Bier genoss ich, aber ansonsten war das regelmäßig eine Übung in Demut. Ich kam nämlich ums Verrecken nicht zu Wort.
Wer mich kennt, weiß, dass das Höchststrafe für mich ist. Aber die Basel Dütsch redenden Kumpel meines Schwagers überhörten einfach alles, was ich auf Schriftdütsch zur Diskussion beitragen wollte.
Sie meinten, die Tschinkli seien faule Siëche, weil d’Italiener singe, statt z’chrampfe, und die Schwobe seien árrogant, weil sie so schnell schwatze, die ÁHV sei z‘ tüür und die Cortège an dr Fasnacht sei auch schon mal besser gsi, ganz zu schweigen von den Larven, die verbotte schlecht gsi sent. Also durchaus anspruchsvoll, wenn man das alles verstehen will.
Ich aber wollte nicht nur verstehen, ich wollte auch zu Wort kommen und grübelte und grübelte, wie ich gegen diesen Hirseberg aus Wortgewalt ankommen könnte.
Als eine kleine Pause eintrat, weil alle dem sehr ansehnlichen Pópo der Serviertochter nachsahen, ä bessersch Poströssli, meinte der Hans-Ruëdi, in diese Pause hinein fragte ich den Schwager mit überlauter Stimme:
„Urs, weißt du, was relativ ist?“
Ungläubiges, ja angewidertes Staunen breitete sich aus, dennoch antwortete Urs: „Ja, das weiss ich scho, aber wie meinscht du das jetzt?“
Ich wartete, bis alle zuhörten und dann erklärte ich:
„Das ist so: Wenn du deine Nase in meinen Hintern steckst, dann haben wir beide eine Nase im Hintern, nur dass ich relativ besser dran bin.“
Es folgte eine Schrecksekunde, dann brach ein Gelächter aus, das die Grundfesten des Château Lapin gefährdete.
Und danach war ich ja so was von integriert!