Verfassungsrecht für Flüchtlinge VII

Im Wedding gibt es das Café Al Salam. Es wurde von Syrern gegründet, die zum Teil schon mehr als zehn Jahre in Deutschland leben und dient als unverbindlicher und billiger Treffpunkt für alle diejenigen, die erst kürzlich nach Berlin gekommen und naturgemäß orientierungslos sind.

Dorthin wurde ich eingeladen, den Vortrag über die von er deutschen Verfassung garantierten Grundrechte zu halten. Es kamen mehrere Juristen, Agronomen, ein Arzt, ein Offizier, ein Informatiker und ein Analphabet. Alle sprachen ausnahmslos ein wenig deutsch, der Informatiker beherrschte es fast fließend. Er berichtete, er habe eine Freundin aus Baden-Württemberg und nun lerne er nicht nur schwäbisch, sondern alle deutschen Dialekte. Als ich ihn auf fränkisch ansprach, antwortete er auf fränkisch. Ich bin fast vom Stuhl gefallen.

Natürlich ging es, wie immer, um den Eindruck, als Moslem nicht gleichberechtigt behandelt zu werden:

„Warum baut der deutsche Staat für uns keine Moscheen? Für die Christen baut er Kirchen:“

Ich hatte ja mal bei Professor von Camphausen Kirchenrecht belegt, dennoch fiel es mir schwer, die Trennung von Staat und Kirche im Zusammenhang mit der Kirchensteuer rüberzubringen. Immerhin fruchtete der Gedanke, dass es besser sei, die Gläubigen finanzierten sich selbst, als dass der türkische Staat die Imame schickt und der König von Saudi-Arabien die Moscheen bezahlt.

Stereotypen sind auch die wiederkehrenden Erklärungen, dass der Islam alles eigentlich ganz anders meint wie zum Beispiel die Rechte der Frau, die Verschleierung, die Gewalt etc. Das ist dann der Moment, darzulegen, wie wichtig eine autonome Finanzierung ist, denn es wird nie gelingen, en Islam zu reformieren, wenn er zur Zementierung gegebener Machtstrukturen benutzt wird. Das verstand insbesondere der Offizier, der von seinem Vater in die Armee gepresst worden war und dann desertierte, weil er nicht auf seine eigenen Leute schießen wollte.

Es kommen auch manchmal skurrile Fragen, zum Beispiel, ob der Vater dem 19jährigen Sohn das Rauchen verbieten dürfe.

Das Kopftuch ist immer ein Thema. Diesmal fiel mir dazu ein, es wäre in unserer Zivilisation halt schwer, Kleidung als Teil des Glaubens zu erkennen, denn Glaube sei etwas für die Seele und die habe keine Kleider.

Ich weiß nicht, ob das verstanden wurde, so wie ich bezweifle, dass ein Moslem in Deutschland versteht, weshalb die Kirchenglocken läuten dürfen, der Muezzin aber nur innerhalb der Moschee zum Gebet rufen darf. Das ist objektiv eine Ungleichbehandlung, aber es ist eben zweifelhaft, ob den Moslems damit gedient ist, durch den Ruf des Muezzins noch mehr Angst, Misstrauen bis zu Hass gegen den Islam zu provozieren.

Für mich ist diese Vortragsreihe immer auch ein Zusammenstoß mit der kruden Realität, denn was ich da erzähle, sind Idealvorstellungen des menschlichen Zusammenlebens. Korruption, Missgunst, Hass, Kriminalität und behördliches Fehlverhalten kommen im Grundgesetz nicht vor, im Leben der Flüchtlinge aber alltäglich.

Auf dem letzten Blatt des Power-Point Vortrages steht mein Name und dass mir das copyright gehört. Gestern fragte mich einer der Anwesenden, was denn das „von“ da verloren habe. Ich versuchte, es in schlichten Worten zu erklären und plötzlich brach wirkliches Interesse hervor. Der Frager wollte die Rangordnung der Aristokratie wissen, holte einen Zettel raus und listete von oben nach unten auf: Kaiser, König, Herzog, Fürst, Graf, Baron.

Absurder kann der Mensch sich nicht vorkommen als ich gestern. Am Ende wurde ich auch noch gebeten, zu erklären, was das Zeug da oben über den Wappen zu bedeuten habe. Neun Zacken, sieben Zacken, so richtig führt dieses Wissen auch nicht zur Integration.

 

 

 

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