Adam Schmidt fuhr einen blauen Hanomag Laster, auf dessen Bordwänden in altdeutscher Schrift zu lesen war: Rotenhan Bräu, Rentweinsdorf.
Er fuhr sehr langsam, nahm jede alte Frau mit, die vom Bahnhof heimschlurfte, fragte jeden Wandersmann, ob er mitfahren wolle. Jeder kannte ihn, er kannte jeden und war wohl der bestinformierte Mann des ehemaligen Landkreises Ebern.
Er hieß der „Wasser Ådel“, weil alle Adams in Franken Ådel genannt werden, ein fast dänisches Å. Warum Wasser? Für den Franken ist alles, was nicht Bier oder Wein ist, Wasser. Und weil der Wasser Ådel eben auch Limo von Haus zu Haus verkaufte, war er eben der Wasser Ådel.
Seine Frau Karolina, die Schmidt’s Kalina, war wie er selbst ein Original. Sie kehrte den Planplatz zwischen Kirche und Schloss und was ihr Mann aus dem Landkreis mit heimbrachte, vervollständigte sie durch ihr profundes Wissen über das Hin und Her im Dorf.
Sie hatten zwei Söhne. Der ältere hatte, solange ich mich erinnern kann, eine beeindruckende Wampe. Er liebte das Bier und den roten Eingelegten, da bleibt die Wampe nicht aus. „Wenn mer ner hindn aa nuch aaner rauswachsed“ kommentierte er seine Leibesfülle.
In jungen und wohl noch ansehnlicheren Jahren heiratete er eine Katholikin. Das war schon seltsam genug, denn darüber hinaus war sie auch noch die Tochter von Flüchtlingen. Sie sprach kein fränkisch und das ganze Dorf fragte sich bang, wie die beiden sich wohl unterhielten, die non verbale Kommunikation war damals noch nicht erfunden worden.
Die alten und die jungen Schmidts wohnten sehr beengt in einem kleinen Haus im Oberdorf, und da die Kalina a Guschn wie a Schwerd hatte, und der Ådel auch nicht auf’s Maul gefallen war, trugen sie ihre durchaus verbale Kommunikation lautstark aus. Mitten im Streit hielt die Kalina inne, deutete auf die Wand zum Nachbarzimmer und meinte: „Ned so laud, die es doch ned gawohnd“. Worauf der Ådel antwortete: „Die werd‘s gawohnd“, und der Streit ging munter weiter.
Der zweite Sohn war sehr groß und heißt daher bis heute im Dorf nur „der Zwaasdöggerd“.
In dem kleinen Haus wohnte auch noch der Kunz’n Jörch, irgendwie verwandt mit den Schmidts. Er konnte die Bibel auswendig und die Psalmen rückwärts. Zum Ausgleich wusch er sich nicht. Als er sich eines Tages den Oberschenkelhals brach und in Ebern ins Krankenhaus eingeliefert wurde, steckten ihn die Nonnen in die Badewanne. Am nächsten Tag war er tot. Immer wenn wir uns nicht waschen wollten, wurde der Kunz’n Jörch bemüht, um uns die Folgen mangelnder Reinlichkeit vor Augen zu führen.
Die Kalina wollte von mir schon al kleinem Buben immer wissen, wen ich denn mal heiraten würde. Meine stete Antwort: „Iich heier amol ned!“ Und sie ebenso stet: „Södda Vöchl ham schon merra gapfüffn.“ Sie sollte Recht behalten.
Eines Tages wurde im Dorf ein Fest gefeiert. Zu fortgeschrittener Stunde sprach der Schmidts Ådel meinen Vater an. Seine Kalina hatte er am Arm: „Herr Baron, ham denn Sie den Abschussblan scho gamachd?“
Mein Vater antwortete, der Abschussplan sei nicht nur fertig, er sei auch schon bei der unteren Jagdbehörde in Ebern abgegeben worden. Darauf der Ådel:
„Schood derfür, sunsd hädd ich Sie nämlich gabähdn, äss Sie mei Alda aa mid draufsetzn.“