Gedanken an Jaroslav Opela
Im vergangenen Juni ist der deutsch-tschechische Dirigent Jaroslav Opela gestorben. 1966 kam er nach München um bei Rafael Kubelik zu lernen. Als die Sowiets den Prager Frühling niederwalzten, blieb er.
Ich hatte das Glück Jaroslav in den 70er Jahren kennen zu lernen. Ich war ja damals für mehrere Jahre der Fahrer des Shuttle Busses, mit dem die Teilnehmer des Musikwettbewerbes der ARD durch München gekutscht wurden. Dadurch war ich unvermittelt von vielen Berufsmusikern umgeben. Für mich eine neue Welt.
Auf dem rechten Rang im Herkules Saal genau über dem Orchester sitzend konnte ich beobachten, wie er dirigierte. Ein Konzert ist mir unvergesslich: Jaroslav dirigierte „Tod und Verklärung“ von Richard Strauss. Viele der Zuhörer wussten, dass kurz zuvor sein Vater gestorben war. Gebannt schaute ich hinunter und hörte die für mich damals noch fremde Musik. Der Dirigent leitete das Orchester, als sei er selbst nicht anwesend, so sehr in sich gekehrt stand er auf dem Pult. Die Spannung in ihm und dem Publikum ließ erst nach, als zunächst noch zögerlich der lange Applaus begann.
Nach der Pause wurde die Háry János Suite von Zoltán Kodály gegeben. Der dazu notwendige Zimbal Spieler trat in Nationaltracht auf. Jaroslav hatte ihn für einen Abend von der Zigeunerkapelle im ungarischen Restaurant Piroska im Haus der Kunst ausgeliehen. Es war ein Riesenerfolg, der im Piroska gefeiert wurde. Jaroslav war der Held des Abends. „Éljen Jaroslav“ riefen die Zigeunermusiker nach jedem Stück. Der Abend endete in einem verheerenden Besäufnis auf Kosten des Hauses – unvergesslich!
Alle, die damals im Gebäude des Bayerischen Rundfunks in der Hopfenstraße arbeiteten, trafen sich im Mövenpick, wenn das Kantinenessen bereits zu den Ohren wieder herauskam.
Einmal saß ich dort umringt von ausgezeichneten Musikern. Sie diskutierten über Karajan und seine letzte Einspielung von was auch immer. Ich verstehe nicht viel von Musik, und damals verstand ich noch weniger. Irgendwann wollte ich bei all dieser Fachsimpelei auch mal was sagen und meinte, für mich sei in erster Linie wichtig, dass die Musik mir gefalle.
Gerade begann ich zu merken, wie peinlich dieser Zwischenruf war, da entschied Jaroslav ex catedra: „Das reicht!“
Er schob noch nach, dass jeder Musiker froh sein könne, wenn er ein Publikum habe, dem seine Musik gefalle. „Du brauchst nicht zu wissen, wieso es gefällt, du musst nur spüren, dass es gefällt, das reicht!“
Damit hat mir Jaroslav den Schlüssel zur Musik gegeben, denn vorher hatte ich das Gefühl, als Dilettant nicht alles zu verstehen. Ich fühlte mich in den ehrwürdigen Hallen der Musik fehl am Platze.
Seither liebe ich die Musik ohne Minderwertigkeitsgefühl. Dass das Zuhören, das Genießen, und das Versinken in meinem Leben so wichtig geworden ist, verdanke ich Jaroslav und seinen beiden Worten: „Das reicht!“
Lieber Hans,
Diese Geschichte habe ich nun bei der diesjährigen Weihnachtsfeier der “ Wilden Gungl “ vorgelesen.
Da bei uns auch die Musiker-Veteranen auf die Feier eingeladen sind, waren insgesamt bestimmt 10 Gungler, die nach der Lesung noch einige Anekdoten zu den von Dir beschriebenen Ereignissen beitragen konnten. Es entspann sich ein reger Austausch von Geschichten rund um Jaroslav….sehr schön ! …und hätte ihm bestimmt auch gut gefallen…wer weiß, vielleicht war er ja doch irgendwie dabei…
Ganz herzlichen Dank nocheinmal an Dich !
Ich wünsche Dir und Deiner Familie von Herzen ein besinnlich-fröhliches Weihnachtsfest und einen guten Rutsch, und freue mich schon auf Deine Geschichten in 2018.
mit besten Grüßen aus München
Christl