Es gibt wohl auf der ganzen Welt niemanden, der gerne abtreibt.
Die Entscheidungsfindung ist traumatisch und der Eingriff selbst ist erst recht traumatisch.
Dennoch ist der Entschluss, eine Abtreibung vornehmen zu lassen, eine höchstpersönliche Entscheidung, die in erster Linie die betroffene Frau angeht, und wenn sie in einer Beziehung lebt, auch ihren Mann angeht.
Der säkulare Staat hat sich da nicht einzumischen, er darf aber natürlich beratend zur Seite stehen.
Die Frage der Legitimität der Abtreibung wird heute ausschließlich unter religiösen Gesichtspunkten diskutiert, man verbrämt das unter dem Oberbegriff Ethik.
Allerdings sind weder Ethik noch Religion allgemein verbindlich.
Das aber wird von konservativen Christen jenseits und diesseits des Atlantiks immer lautstärker postuliert. Wie kommen die eigentlich dazu?
Neulich habe ich im Internet den folgenden Satz gefunden:
„Wer findet, dass ein befruchtetes Ei mehr wert ist als ein Flüchtlingskind, der darf nichtmehr behaupten, dass seine Beweggründe religiös begründet sind“.
Dieser Satz wurde populär nur einige Tage, nachdem ein Foto die Runde machte, auf dem sechs Männer um den 45. Präsidenten herumstehen und dieser ein Dekret unterschreibt, wodurch staatliche Beihilfen zu Abtreibung gekürzt werden.
Ich wiederhole: Niemand treibt gerne ab. Aber es gibt Lebenssituationen, die eine Frau mit einem befruchteten Ei im Bauch zu dem Entschluss kommen lassen, die Austragung dieses beginnenden Lebens abzubrechen. Das hat mit Religion nur dann etwas zu tun, wenn man religiös ist.
Wir leben aber nun einmal in einem Land, in dem der Glaube an Gott freiwillig ist. Dessen ungeachtet ist es natürlich gut und sinnvoll, der Frau, die in der beschriebenen schrecklichen Situation der Entscheidungsfindung lebt, beratend zur Seite zu stehen, ja, wo das möglich ist, zu versuchen, den Abbruch zu verhindern.
Es liegt in der Natur der Sache, dass in den Beratungszentren in erster Linie Frauen arbeiten. Es liegt aber in keiner Weise in der Natur der Sache, dass diejenigen, die in der Öffentlichkeit die Abtreibungsdebatte führen, mehrheitlich Männer sind. Ich habe den Eindruck, dass all die US Senatoren, Moralapostel, Pfarrer, Politiker und Gschaftlhuber, die sich zu diesem Thema immer wieder zu Wort melden, zu Hause eine Frau haben, die die Problematik doch etwas differenzierter sieht.
Das Recht, abzutreiben, ist ein essentielles, wenn auch schmerzliches Recht, das eine Demokratie gewähren muss. Wer religiös argumentierend dieses Recht in Frage stellt, befindet sich intellektuell auf der gleichen Stufe wie all die Muslime, die nach Deutschland kommen und finden, sie müssten sich nicht an die hiesigen Gesetze halten, weil ihre religiösen Vorschriften den weltlichen Normen vorgingen.
Daher nochmal: Religion geht nur den etwas an, der ihr anhängt. Aus ihr Weiterungen abzuleiten, die für die Allgemeinheit gelten, ist schiere Übergriffigkeit.