In der vergangenen Woche habe ich in Palma de Mallorca gearbeitet und dabei wieder einmal festgestellt, dass es unterdessen kein Lokal, keine Autowerkstatt, keine Tankstelle und keine Immobilienagentur mehr gibt, wo nicht mindestens ein Argentinier arbeitet. Das sind meist studierte Leute, die, als sie nach Spanien kamen, wussten, dass sie unter ihrem Niveau arbeiten würden. Zu Hause gab es weder einen Arbeitsplatz noch eine Zukunft. Durch jahrzehntelange Misswirtschaft und Korruption ist dort die Mittelschicht komplett verloren gegangen.
Wenn ich in Deutschland ständig lese, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht und sich ganz besonders auf der Seite der Geringverdiener proportional weiter öffnet, dann besteht langfristig die Gefahr, dass auch in Deutschland und Mitteleuropa die Mittelschicht flöten geht.
Bisher war die Mittelschicht die Mehrzahl der Bevölkerung, die am meisten für das Brutto Sozial Innen Produkt aufbrachte, und die auch am meisten konsumierte. Kurz, das sind die fleißigen Leute, von denen Politiker so gerne sprechen, das ist der Teil der Bevölkerung, der am meisten dafür tut, dass die Wirtschaft floriert.
Das sind die so oft belachten Spießer mit gehäkeltem Klorollenschoner und Wackelhund im Rückfenster. Das sind die vielen Menschen, die sich noch die Hände schmutzig machen, mit denen sie dann die Bild Zeitung halten. Das sind die vielen Frauen und Männer, denen wir früh am Morgen in den öffentlichen Verkehrsmitteln begegnen.
Das sind Mitbürger, denen solche Menschen wie ich, der ich in einem sehr auskömmlichen akademischen Beruf arbeite, dankbar sein müssen. Dass hier in Mitteleuropa alles so wie am Schnürchen klappt, das ist der Mittelschichte zu verdanken. Das sind diejenigen, die nicht nur für sozialen Frieden sorgen, sondern diesen auch halten. Das ist die Basis unserer Gesellschaft. Das ist übrigens auch die Masse der Wähler, die über Jahrzehnte hinweg dafür gesorgt hat, dass Radikale in den bundesdeutschen Parlamenten fast nie etwas verloren hatten.
Dass die AfD nun gerade in diesem Teich fischt, zeigt, wie der Mittelstand merkt, wie sehr er gefährdet ist.
Wenn eine Regierung dies sieht, dies immer wieder aus Gutachten erfährt, und nicht dagegen tut, dann kann, dann muss man mit Fug und Recht von Misswirtschaft sprechen.
In den beiden vergangenen Jahren war das Gezänk über Flüchtlinge stets wichtiger, Putin nahm viel Platz auf der Agenda ein, nun folgt Trump ihm nach.
Da geht das Klein-Klein um den Mittelstand – ich bitte Sie – leicht verloren.
Misswirtschaft eben.