Die Abgeordnete der Grünen, Elisabeth Scharfenberg, hat zunächst etwas Selbstverständliches festgestellt: Auch Behinderte haben ein Geschlecht.
Dies bedingt, dass Menschen mit Geschlecht, geschlechtliche Bedürfnisse haben, und da scheint die Politikerin in ein Wespennest gestochen zu haben, als sie nämlich nach ihrer vollkommen zutreffenden Feststellung fragte, wie man diese Bedürfnisse am besten befriedigen könne.
Hunger, Durst, Zuneigung und eben auch Sex sind Grundbedürfnisse des Menschen. Hunger und Durst müssen befriedigt werden, andere Bedürfnisse können je nach dem Willen des Individuums befriedigt werden. Betonung liegt auf „nach dem Willen des Individuums“. Nicht andere entscheiden, jeder Mensch entscheidet autonom darüber, wie er seine Bedürfnisse befriedigen will oder nicht, das gebietet Artikel 1 des Grundgesetzes. Danach ist die Würde des Menschen unantastbar. Es kann, es darf daher nicht sein, dass Menschen, deren Lebensbedingungen das Bedürfnis nach Befriedigung des Sexualtriebes erschweren, geschlechtslos leben müssen.
Vor sehr vielen Jahren habe ich einen Film gesehen, in dem ein junger Mann im Lazarett liegt. Das Augenlicht hatte er verloren, der Unterkiefer war ebenso weggeschossen wie Arme und ein Bein. Er wurde künstlich ernährt und liegen gelassen, weil er sowieso bald sterben würde und sein Leben nicht wert war, gelebt zu werden. So sagte der behandelnde Arzt. Und dann kam eine Krankenschwester, die nachts, wenn alle anderen weg waren, diesen geschundenen Körper liebkoste und den jungen Mann geschlechtlich befriedigte. Er würde dadurch nicht länger leben, aber plötzlich hatte sein Leben wieder einen Inhalt. Es war pure Barmherzigkeit der Krankenschwester. Sie wurde natürlich von einer Kollegin denunziert und mit Schimpf und Schande entlassen. Dem jungen sterbenden Soldaten aber hatte man das Einzige geraubt, das ihn noch mit dem Leben auf dieser Erde verband.
Mir gehen die Bilder dieses sehr dezent gedrehten Filmes seit Jahrzehnten nicht aus dem Kopf und sie haben mich gelehrt, dass Zuneigung, Liebe und Sex nicht Privilegien sind, die nur Gesunden zustehen. Nein, es sind Rechte des Menschen, die gleichberechtigt sind mit all den anderen, die er hat.
Frau Scharfenberg regt nun an, der niederländischen Regelung folgend, behinderten Menschen, die dessen ungeachtet selbstverständlich auch sexuelle Begierden haben, von der Krankenkasse bezahlte Prostituierte vorbeizuschicken.
Ein Aufschrei geht durch das Land!
Warum eigentlich? Eine Prostituierte ist doch nicht automatisch eine grell geschminkte, kurzbehoste, langbestiefelte und ordinäre Person. Und wen soll man denn sonst hinschicken? Soll man das Pflegepersonal speziell ausbilden? Soll man es der Familie überlassen? Das ist doch lebensfremder Quatsch!
Es ist gut, dass das Geschlechtliche nicht auf den Marktplatz getragen wird. Alles Intime soll intim bleiben. Das heißt aber nicht, dass die gesellschaftlich akzeptierten Regeln des Umgangs mit dem Geschlechtlichen dazu führen, dass via dieser Regeln entschieden wird, wer Sex haben darf und wer davon ausgeschlossen ist.