Denn wo die Begriffe fehlen…

…stellt schnell ein neues Wort zur rechten Zeit sich ein.

Ja, was wären wir ohne unseren guten alten Goethe?

Bisher wurde dieses Zitat benutzt, wenn Mord auf einmal „Endlösung“ hieß, wenn Massenentlassungen plötzlich „Freistellungen“ waren oder wenn die Propagierung des Schießbefehls an deutschen Grenzen „ausrutschen auf der Computermaus“ genannt wurde.

Ein bisher gebräuchliches Wort wurde durch ein neues ersetzt, das den ursprünglichen Sinn vernebelte, ihm aber nichts von dem nahm, was es wirklich ausdrücken wollte. Jetzt sind wir einen Schritt weitergekommen, und, jeder hat es gemerkt, es handelt sich um einen Fort-Schritt.

Eine Rose ist eine Rose, eine Rose ist eine Rose. Das galt bis 2016. Dann kamen 2017 und Theresa May, die, mutig geworden durch überseeische Ereignisse, klarmachte, dass „Brexit heißt Brexit“ nicht etwa „Brexit heißt Brexit“ bedeutet, sondern „Ihr könnt uns alle mal.“ Damit blieb sie noch im Geltungsbereich des Goethe-Zitats.

Nun aber hat gestern Kellyane Convay, eine Beraterin des 45. Präsidenten die Deutungshoheit über Goethe an sich gerissen und gesagt: „Ab jetzt ist das wie folgt zu verstehen: Denn wo die Bilder nicht behagen stellt schnell ein alternativer Fakt sich ein.“

Ich finde das faszinierend: Der in meiner Groß-Familie so gepflegte subjektive Umgang mit der Wahrheit wird zur staatstragenden Doktrin zum Axiom einer „new brave era“

Wenn wir uns gerade daran gewöhnt haben, dass wir aus dem Zeitalter des Faktischen entwachsen sind und uns die Zeit der postfaktischen Wahrnehmung dieser Welt, dieser Zeit und ihrer Läufte zueigen gemacht haben, dann öffnet die Dame aus Washington DC ein großes Tor, und wir befinden uns – schwupp – in der in der atemberaubenden Welt der alternativen Fakten.

Das wird ein Leben! Steuerschulden? Liebes Finanzamt, ich verfüge da über alternative Fakten. Liebling, das war nicht die nette Nachbarin mit mir im Bett, alternativfaktisch, war das garniemand, und mein Personalausweis sagt nur zufällig, ich hieße Hans, eigentlich heiße und bin ich Napoleon. Für Letzteres kam man früher in die Klapsmühle, heute kann man mit so einer Wahrnehmung der Tatsachen einen US Präsidenten beraten.

Der ist übrigens ein Genie: Obwohl er ein Mann ist kann er zwei Sachen gleichzeitig: Eine plumpe, beleidigende Antrittsrede halten und bis 1.500.000 zählen. Wow!

Aber zurück zu den Fakten, beziehungsweise zu deren Alternative. Wir haben es hier mit einem Oxymoron zu tun (Meine Schulzeit war zu teuer, als dass ich mir das hier verkneifen könnte)

So, jetzt ist es gesagt, und wir können zum Normaldeutsch zurückfinden: Alterative Fakten, das ist ein schwarzer Schimmel. Das geht nicht. Das weiß auch Doña Kellyane. Was sie mit „alternative facts“ faktisch meint, also jetzt mal primärfaktisch, dann sind das „Anschauungsweisen“. Nur postuliert sie halt, dass die Anschauungsweise des 45. Präsidenten so zu behandeln sei, als wäre sie tatsachenschaffend.

Trost und Hilfe bieten wie so oft die Weisheit und der Pragmatismus der Franken:

„Ich glaab, äs zwa Pfund Rindfläsch a guda Subbn gibd“

That‘s fact, Mr. President!

 

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