Ringelnatz

Autobahn, nach langer schweigsamer Fahrt

Vater: Drüben am Walde

Kängt ein Guruh.

Warte nur balde

Kängurst auch du!

Sohn.: Mpf

V.: Das ist Ringelnatz!

S.: Und wer soll das sein?

V.: Joachim Ringelnatz war ein deutscher Dichter. Er lebte von 1883 bis 1934.

S.: Dichter? Das ist doch ein kompletter Scheiss, gibt doch garkeinen Sinn.

V.: Aber merkst du den nicht diesen tollen Umgang mit der Sprache?

S.:     Die Strass ist rund

Der See ist tief

Das tu ich kund

Wenn Nas ich schnief!

V.: Na super!

S.: Offenbar bemerkst du nicht meinen tollen Umgang mit der Sprache.

V.: Bei dir kommt ja auch nicht das Verb „känguren“ vor, ich kängure, du kängurst, er kängurt.

S.: Ich bitte dich! Du hast uns dazu erzogen, nur die Realität anzuerkennen. Keine Hirngespinste! Es ist für mich schon schwer genug, zu akzeptieren, dass du an Gott glaubst – keine Hirngespinste und so.

V.: Realität ist das Eine, aber jeder Mensch braucht in seinem Leben auch ein wenig Poesie.

S.: Das Verb „känguren“ zu konjugieren, das nennst du Poesie? Steigerung davon im Imperfekt? Ich kängurte, du kängurtest, er kängurte. Grenzt das dann schon an Goethe?

V.: Immerhin merke ich, dass ich die Kosten für deine Ausbildung gut angelegt habe.

S.: Lenk nicht vom Thema ab. Du sagst, wir sollten uns nur an die Realität halten, gehst aber am Sonntag in die Kirche, offensichtlich wegen der Realität, und dann spinnst du auch noch mit Poesie herum, die vor Realität geradezu trieft. Mann!

V.: Gerade dann, wenn das eigene Leben von den Realitäten diktiert wird, braucht man manchmal intellektuelle Freiräume.Ich fass es nicht!

S.: Jetzt gibt es offenbar schon mehrere Realitäten, die man allerdings nur in intellektuellen Freiräumen findet.

V.: Sag ich doch: „Warte nur balde, kängurst auch du!“

S.: Fuck!

V.: Hey!

S.: Dann eben „fuck it“. Das bezieht sich dann nur auf dein intellektuelles Freiraumgedicht.

V.: Damit kann ich leben.

S.: Ich habe bisher gut damit leben können, nicht zu wissen, wie man das Verb „känguren“ konjugiert. So ein Schwachsinn!

V.: Denk, was du willst, aber gerade dieses Gedicht hat mich schon oft in schwierigen Situationen wieder froh gemacht.

S.: Mann, musst du ein beschissenes Leben haben. Hilft dir mehr Gott oder die Poesie, wenn alles mies läuft?

V.: Manchmal hilft auch, von der Autobahn abzubiegen und zu Hause anzukommen.

 

 

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