Das Abendland

Am 12.12.16 hat Joschka Fischer einen sehr klugen Artikel in der SZ veröffentlicht. Er schreibt, wir könnten und langsam vom „Westen“ verabschieden. Er meint damit die nordatlantische Allianz, die mit Amtsantritt von Präsident Trump nicht mehr das sein werde, was sie bisher war.

Fischer führt aus, dass für uns Europäer nun das christlich-jüdisch geprägte „Abendland“ wieder wichtiger werde. Er meint damit in erster Linie den mediterranen Kulturraum.

Nichts Neues?

Doch, und wie!

Es ist unbestritten, dass die USA Europa von den Nazis befreit haben. Ebenso unbestritten ist, dass auch die UdSSR Europa von den Nazis befreit haben. Danach zerfiel Europa in zwei Blöcke, die politisch und kulturell möglichst wenig voneinander wissen wollten.

Die USA wurde „unsere“ Hegemonialmacht und die UdSSR wurde „deren“ Hegemonialmacht. Sie waren unsere jeweiligen Freunde und als solche waren sie sakrosankt.

Ich will jetzt wirklich nicht abwiegen, wer von den beiden Mächten  mehr oder weniger, Besseres oder Schlechteres geleistet hat. Offensichtlich aber ist, dass beider Mächte Zeit als Hegemonialmacht über Europa zu fungieren, abläuft. Die Zeiten ändern sich und damit ändern sich auch die politischen Allianzen.

Letztlich hat dieses Besinnen auf das Abendland auch etwas Gutes, denn wenn wir mal ganz ehrlich sind, dann ist Russland, der Rechtsnachfolger der UdSSR, kein Rechtsstaat und wenn wir noch ein bisschen ehrlicher sind, dann müssen wir auch zugeben, dass die USA kein Rechtsstaat in unserem Sinne sind.

Wenn wir der Türkei mitteilen, die Einführung der Todesstrafe sei eine Überschreitung einer roten Linie, wie behandeln wir denn eigentlich die vollstreckten Todesurteile in den USA?

Ich will hier keinem billigen Anti-Amerikanismus das Wort reden. Aber es scheint angebracht zu sein, sich auf unsere ureigenen kulturellen, geschichtlichen und  politischen Werte in Europa zu besinnen. Sie sind in Gefahr, nicht nur von außen. Sie sind in Gefahr weil es uns zum Beispiel nicht gelungen ist, unseren Kindern beizubringen, dass Demokratie nicht einfach die Diktatur von Mehrheiten ist. Vielmehr entscheiden Mehrheiten auf der Basis unverrückbarer Grundwerte wie Menschenwürde, Garantie einer von der Regierung unabhängigen Justiz, Achtung der Freiheit des anderen, Presse-und Meinungsfreiheit etc. pp. Das wird oft absichtlich nicht verstanden.

Fürchten wir uns nicht vor den Folgen der Politik der Putitrumps!  Unsere Hausaufgaben finden wir bei uns selbst: Wir müssen uns darüber klar werden, dass Europa sich immer mehr auf sich selbst wird verlassen müssen.

Das bedeutet in erster Linie einen riesigen Schritt des guten Willens der Europäer und ihrer Regierungen aufeinander zu. Wenn sich die Europäer nicht einig sind, wenn sie nicht mit einer Stimme sprechen, dann haben wir allen Grund, uns Sorgen zu machen über unser Abendland.

 

 

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