Ich gehe nicht auf die Straße, weil ich weiß, dass es nichts bringt.
Ich gehe aber auch deshalb nicht auf die Straße, weil ich nicht weiß, wer in diesem Krieg der Schuftigste, der weniger Schuftige und wer nur ein Schuftito ist.
Statt gegen jemanden auf die Straße zu gehen, könnte ich ja auch für jemanden auf die Straße gehen. Okay, ich demonstriere nachher mal eine Stunde lang für die Zivilbevölkerung von Aleppo. Da wird man sich dort aber freuen!
Natürlich brauchen die Menschen in und um Aleppo materielle Hilfe. Ich spende aber nichts, weil ich überhaupt nicht weiß, wem ich mein Geld anvertrauen kann in der Hoffnung, dass damit eine Familie genährt, gewärmt und gekleidet wird. Wenn ich Geld gebe, bin ich vielmehr davon überzeugt, dass es entweder von der Korruption verschluckt oder gar zu Waffenkäufen genutzt wird.
Ich könnte Petitionen unterschreiben und tue es nicht, weil ich mutmaße, dass meine Unterschrift nur dazu dient, dass sich mit ihr und den vielen anderen jemand wichtigmachen will. Noch dazu, was soll ich unterschreiben, wenn ich nicht weiß, wer die Guten und wer die Bösen sind?
Ich engagiere mich nicht, weil ich feststelle, dass das Engagement wichtiger Staatslenker, ja ganzer Staaten, zu rein gar nichts Gutem führt.
Ich sehe mir das Grauen im Fernsehen an und lese in der Zeitung darüber. Ich bin Zeuge eines der größten Kriegsverbrechen seit 1945 – und tue nichts, denn ich weiß, dass keiner der Kriegsverbrecher je zur Rechenschaft gezogen wird.
Mein Nichtstun macht mich mitschuldig. Ich weiß das ebenso wie jeder, der dies liest, es ebenso weiß.