Der Erste der Scholle, der Zweite dem Kaiser, der Dritte der Kirche. Mein Urgroßvater hatte es noch so mit seinen Söhnen gehalten und mein Vater hätte an dem Gedanken auch Gefallen gefunden, wäre sein zweiter Sohn nicht durch Knickebeinigkeit und Scheeläugigkeit gepaart mit Hühnerbrust aufgefallen. Er übersprang geistig den Kaiser und so ward ich für die evangelisch – lutherische Landeskirche in Bayern bestimmt. Die Sache hatte allerdings den Haken, dass ich nicht wollte.
Da fügte es Gott und berief Tante Kaula zu sich. Sie hieß eigentliche Tante Carola, hatte einen Buckel und machte uns Kinder „fürchenich“. Tante Kaulas Erbe war wider alle Erwartung mein Vater und so stellte er zu seiner großen Verwunderung fest, dass er unter anderem in den Besitz einer umfangreichen Steinsammlung gekommen war.
Beim Mittagessen verkündete er nun, ich bekäme von ihm die Steinsammlung, wenn ich Pfarrer würde. Ich wollte mir die Sache vorher genau ansehen und erfuhr, die Steinsammlung lagere im Oberen Saal in einer Holzkiste. Das hätte mich schon stutzig machen müssen, denn wer bewahrt seine Diamanten schon in einer Holzkiste auf? Und siehe da, ich hob der Deckel der ziemlich großen Kiste und darin befand sich eine Sammlung geologisch sicherlich interessanter Brocken, vom Glimmerschiefer über Basalt bis hin zu einigen Kalksteinen mit Einschlüssen von Krähenfüßen oder so was.
Ich war enttäuscht, nein, ich war erbost. Mir was klar, dass Pfarrer zu sein etwas Erhabenes ist, schließlich hat niemand einen direkteren Draht zum lieben Gott als Hochwürden der evangelisch – lutherischen Landeskirche in Bayern. Das Lockmittel Glimmerschiefer war klar unpassend, ja grenzte an Blasphemie. Beim Abendessen schimpfte ich wie ein Rohrspatz und mein Vater sah ein, dass er die Sache überdehnt hatte. Man sprach nicht mehr darüber.
Jahre später, ich war bereits im Gymnasium und bemerkte, dass meine Karriere dort nicht wirklich erfolgreich verlaufen würde, da verkündete mein Vater, wer nie sitzenbliebe, bekäme zum Abitur einen neuen Volkswagen. Ich fiel ins Grübeln, denn dass ich den VW nicht bekommen würde war klar. Da fielen mir Tante Kaulas Steine wieder ein und ich machte meinem Vater den Vorschlag, dass ich auch dann einen Volkswagen bekäme, wenn ich Pfarrer würde. Er schlug ein.
Im Dorf verbreitete sich die Nachricht wie der Blitz: „Der Schloss-Hans wird fei Pfarrer.“ Zunächst wurde ich nun zu jeder Beerdigung von Kanarienvögeln, Wellensittichen und Hamstern eingeladen, um den Beisetzungen einen würdigen Rahmen zu verleihen. Die Erwachsenen im Dorf aber hatten ihren Spott mit mir: „Hans, du wirst amol a Lüchnsoocher vo die Kanzl ro!“ oder:“Denna Pfaffn stenn die Händ zwamol wegwärdsich vo de Ärwed, und so a Faulbälz willst du wern?
Ich war erschüttert, zumal ich davon ausging, dass die Erwachsenen die oben geschilderte Erhabenheit des Berufs des Pfarrers mit mir teilten. Immerhin sah ich all diese Lästerer allsonntäglich in der Kirche. Was wollten sie dort, wenn sie das, was der Herr Pfarrer predigte, für Lügen hielten?
Dann fragte mich die sächsische Köchin meiner Großmutter, was der Unterschied zwischen einem Bäcker und einem Pfarrer sei? Auflösung: Der Bäcker backt „Brädchen“ und der Pfarrer „dud brädchen“.
Darüber konnte ich mich schon nicht mehr ärgern, denn die Pubertät begann mit all ihren akustischen und geruchlichen Beschwernissen für meine Umwelt. Für mich hatte die Pubertät den ganz großen Vorteil, dass mir erstmals in meinem Leben alles vollkommen wurscht war. Als ich aus diesem wunderbaren Zustand erwachte, war ich sitzen geblieben und dennoch weiterhin Klassenschlechtester und die Idee, Pferrer zu werden, hatte sich verflüchtigt.
Den (gebrauchten) VW hab ich mir dann beim Kufi in Ebern am Fließband verdient.