Gestern wurde auf ARD, ORF und SRF das Theaterstück „Terror“ von Ferdinand von Schirach gesendet.
Es ging darum, dass der Pilot eines Jagdbombers ein voll besetztes Zivilflugzeug abgeschossen hat, das ein Terrorist in ein voll besetztes Fußballstadion zu lenken entschlossen war. Hat sich der Bundeswehrpilot damit strafbar gemacht?
In Deutschland, Österreich und der Schweiz haben mehr als 84% der Zuschauer dafür gestimmt, dass sich der Pilot nicht schuldig gemacht hat, der Rest war der gegenteiligen Meinung.
Ich finde das erschreckend, denn es zeigt, dass die Saat der Populisten aufgeht:
In der Schweiz, in Polen und in Ungarn sehen wir, wie die rechten Parteien seit etlichen Monaten verkünden, die Verfassungsgrundsätze müssten sich nach dem jeweiligen Willen der Mehrheit der Wähler richten. Wir sehen es: In der Schweiz sollte das Bleiberecht von Ausländern ausgehebelt werden, in Ungarn ist es die Pressefreiheit, die Genfer Flüchtlingskonvention und in Polen ist es der Verfassungsgerichtshof.
Überall versucht „die Rechte“ unter Berufung auf den Willen des Volkes Garantien des Rechtsstaates abzubauen. Derlei Denken wird vorbereitet indem die Grundrechte, die von allen westlichen Verfassungen garantiert werden, zur Verhandlungsmasse degradiert werden.
Es ist ein in der Geschichte einmaliger Vorgang, dass alle EU Länder sich auf Verfassungsgrundsätze geeinigt haben, eben auf die Grundrechte, die den Bürger vor der Willkür des Staates oder seiner Institutionen schützen.
So ist es keinem Bundeswehrsoldaten, keinem Schrankenwärter und keinem Politiker erlaubt, über das Leben eines seiner Mitbürger zu entscheiden, auch wenn er noch so überzeugt ist, dass er damit andere Menschenleben rettet.
Artikel 1 Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Nach dem gestrigen Fernsehabend habe ich den Eindruck, dass die Mehrheit nicht weiß, was mit der „Würde des Menschen“ gemeint ist. Es ist auch gemeint, dass der Mensch nicht misshandelt werden darf, es ist auch damit gemeint, dass der Staat dem Bürger ein Leben in Würde garantieren muss. In erster Linie ist die Würde des Menschen aber sein Leben selbst. Nicht umsonst steht in Artikel 2,2 GG „In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“
Die Politik war bisher gut beraten, bisher kein Gesetz verabschiedet zu haben, das das Leben, die Würde des Menschen zur Disposition stellt.
Es gibt Diskussionsbeiträge, die meinen, das sei Feigheit seitens der Politik, sie lasse ihre Bürger, wie den Piloten in Extremsituationen allein.
Davon kann keine Rede sein, denn die Würde des Menschen ist unantastbar. Das gilt es zu beachten, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Das Problem ist, dass es offenbar den Schulen, den Unis, den Medien nicht gelungen ist, diesen Grundsatz so zu vermitteln, dass er auch verstanden wird.
Gerhard Baum, der ehemalige liberale Innenminister, ein „rocher de bronce“ im Meer der relativierenden Verfassungstheorien, hat gestern sehr zu Recht immer wieder darauf hingewiesen, dass Artikel 1 unseres Grundgesetzes Ewigkeitsanspruch hat. Das bedeutet, er kann nur durch einen (rechtswidrigen) Staatsstreich abgeschafft werden.
(Ich verweise auf meinen fb Beitrag vom März 2016 zum Theaterstück „Terror“, den ich heute auf meinem Blog
hansrotenhan.com
erneut veröffentlicht habe.)