Ich geh jetzt in die Muckibude! So heißt das natürlich nicht, sondern Bewegungsstudio, denn es ist für alte Menschen gedacht. Fitness würde sie verschrecken. Es wird Rückengymnastik angeboten und es gibt auch einen Raum, in dem Kraftmaschinen stehen.
Mir wurde gesagt 50 mal pro Aparillo. Zunächst habe ich das auch brav befolgt, eins – ha, zwei –ha, drei-ha…
Nun ist es ja so, dass Männer nicht zwei Sachen gleichzeitig machen können, zum Beispiel zählen und zuhören. Deshalb war meine Zählerei ganz falsch, denn das Panoptikum, das sich da abspielt, erheischt wirklich die ungeteilte Aufmerksamkeit des Zeitzeugen.
Zunächst ist da Edith. Ihr Status ist unklar, aber sie ist immer anwesend. Ich nehme an, sie ist die Putzfrau. Da sie sich zu Hause langweilt, bleibt sie halt. Manchmal bringt sie Schmantkuchen mit, damit die abgearbeiteten Pfunde ja nicht verlorengehen. Wenn der richtige Trainer nicht hinschaut, gibt sie Anweisungen wie „Schultern zurücke, Mann.“ Der Mann befolgt das sofort und verdrängt derweil die Sorgen, die er sich wegen Ediths raumgreifenden Busens gemacht hat. Wenn Edith nicht aufpasst, unterhalten sich Herbert und Fritz. Der eine war Chemiker und der andere Straßenbauingenieur. Beide hadern irgendwie mit den Zeitläuften, was ich wie folgt manifestiert:
Ick war ja inner DDR Chemiker. Nu bin ick zu Hause und schau meiner Friedel über de Schulter wennse kocht. Kochen is ja ooch ´n chemischer Vorgang. Ick sare dir eens, wenn wir inner Chemie so jearbeitet hättn, wie meine Friedel kocht, dann wär die DDR schon viel früher pleite jegang. Ick hab vasucht, ihr richtijet Arbeetn beizubiejen. Oh Jemineh, hab ich Senge bezojen! Nu bin ick hier und tu so, als wenn ick träniere. Zu Hause bin ick nich mehr jern jesehn.
Bei solchen Lebensbeichten vergisst man natürlich ruckartig das Zählen.
Es hat Auftritt eine aufgedonnerte Mitsechzigerin, Pauline. Sie dreht immer nur eine Runde auf dem Standrad und berichtet von ihren Venenproblemen. Keiner will das hören und man ist froh, wenn sie fertig ist und von hinnen rauscht.
Na det is ooch so eene. Mit de Venen hatses, aber saufen tut se wie ´n Kanalgitta. Kiek ma aussm Fensta, schon hockt se drübn inner Eckkneipe.
Edith kommt vorbei und ermahnt Herbert die Knie durchzudrücken: Keene halbn Sachn, mein Freundchn. Bist ja nich zum Quatschn hier!
Da irrt Edith, denn genau deshalb sind alle hier. Fritz wundert sich nicht, dass die Kommunen so verschuldet sind: Dett kommt daher, dat se heutzutage nüscht mehr vom Strassenabu vastehn. Haste jesehn, neulich? Vorne ne Maschine, die macht den alten Belag wech, dann kommt lange, lange nüschte, dann feechtt eena und dann kommt wieder so´n Monstrum und kackt den neuen Asphalt uff de Strasse. Hinterher kommt ooch noch ne Waltze. Mann wat soll dat denn? Wir ham dat damals mit zwee Dutzend Mann jemacht. Und wenn wa zum Fertichstellungstermin nicht allet bei Fuss hattn, hamwa noch paar von den Politschen aus Hohenschönhausen anjefordat. Dat jing allet seinen sozialistischen Gang, und jut war et!
Ja,ja, Fritz schwärmt wieda vonner jutn altn Zeit, aber die Knie beinanderhaltn det kannste nich, wa? Das war jetzt wieder Edith.
Die Gebühr von 53 € wird monatlich abgebucht. Mein Abo beim Theater hab ich abbestellt.